Ruf der Vergangenheit
ans Fenster stellte. „Er wird ihnen nicht wehtun.“
„Das weiß ich.“ Sie wartete, bis er sie wieder ansah. „Möchten Sie mir von ihr erzählen?“
„Von ihr?“
„Von Devs Mutter.“
Dev erstarrte, sagte aber nichts.
Massey schluckte. „Ich habe nicht mehr das Recht, ihren Namen zu erwähnen.“
„Bitte.“
Nach einer langen Pause fing Massey an zu sprechen, den Blick immer noch starr auf den Rücken seines Sohns gerichtet. „Wir haben uns als Jugendliche kennengelernt. Sie war ein intelligentes, lustiges Mädchen. Ich war Sportler. Aber wir fanden immer etwas, worüber wir reden konnten. Bei ihr fühlte ich mich klug.“ Er lächelte bei diesen Erinnerungen. „Sie sagte immer, dass sie sich mit mir stark fühle.“
Einen Augenblick lang wirkte Massey Petrokov nicht mehr verrückt und gebrochen. Er war wieder der junge Mann, dessen ganzes Leben noch vor ihm lag.
„Nach dem College machte ich ihr einen Antrag – ich hatte gerade ein Football-Stipendium. Schon damals war mir klar, dass sie Karriere machen würde, aber das machte mir nichts aus.“ Er lachte leise. „Ich sagte ihr, ich würde den Hausmann spielen, während sie die Welt eroberte.“
„Haben Sie das getan?“
„Ja.“ Er lächelte erneut. „Davor habe ich vier Jahre lang gespielt, bis eine Verletzung mein Sportlerdasein beendete. Aber ich hatte gut verdient, und meine Sarita war in ihrer Investmentfirma schnell aufgestiegen, finanziell ging es uns gut. Wir beschlossen, es mit Nachwuchs zu versuchen. Sarita wurde fast augenblicklich schwanger.“
Katya wagte nicht, Dev anzuschauen, sie konnte seine gespannte Aufmerksamkeit fast körperlich spüren. „Gefiel es ihr, schwanger zu sein?“
Massey blinzelte, als hätte er ihre Anwesenheit vergessen. „Es überraschte sie selbst, wie sehr sie es mochte. Sie hatte befürchtet, es würde ihr schwerfallen, eine Verbindung zu dem Kind herzustellen – sie hatte sich nie für besonders mütterlich gehalten. Aber sobald es geschehen war, liebte sie das kleine Wesen in ihrem Leib.“ Massey wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinem Sohn zu, sprach nur noch zu dem steifen Rücken vor ihm. „Die Hälfte der Zeit hatte sie auf nichts anderes Appetit als auf Traubensaft und Bananen.“
Stille, in der nur die leisen Schritte einer Krankenschwester auf dem Flur zu hören waren.
„Sie sollte eigentlich ein Jahr nach der Geburt wieder arbeiten, nahm aber noch ein weiteres Jahr frei. Das konnten wir uns leisten.“ Er sah sie kurz an. „Danach war meist ich für Dev zuständig. Wir waren die dicksten Kumpel – ich machte das Mittagessen, brachte ihn zum Kindergarten, zur Schule und half ihm bei den Hausaufgaben. Sarita nannte uns ihre zwei Musketiere.“
Jetzt wurde ihr klar, wie tief sich Dev verraten fühlen musste. Er hatte beide Eltern geliebt, aber schon aufgrund der vielen Zeit, die sie miteinander verbracht hatten, hatte er seinem Vater sicher noch nähergestanden als seiner Mutter. „Klingt nach einem schönen Leben.“
„Das war es auch.“ Masseys Schultern zuckten. „Aber dann …“ Er schluchzte. „Ich wollte ihr nicht wehtun. Sie war doch die einzige Frau, die ich je geliebt hatte.“
Katya konnte es nicht ertragen, ihn so leiden zu sehen, und ergriff seine Hand. „Sie haben das nicht absichtlich getan“, flüsterte sie. „Sie waren nicht bei sich.“ Sie wusste, wie es war, eine Marionette zu sein.
Massey schüttelte den Kopf und weinte leise. „Aber ich habe sie getötet. Und diese Schuld werde ich für den Rest meines Lebens mit mir herumtragen.“ In seinen Augen regte sich etwas. „Ich bin nicht mehr oft bei klarem Verstand“, sagte er deutlich, während ihm unablässig Tränen die Wangen herabliefen. „Ich wünschte, ich wäre es nie.“ Eine Welle von Düsternis überschwemmte seinen Blick, ein zerstörter Geist, der die Kontrolle zurückerlangen wollte.
Katya spürte eine Bewegung neben sich, dann legte Dev seinem Vater eine Hand auf die Schulter. „Du warst nicht du selbst“, sagte er mit heiserer Stimme. „Nicht an diesem Tag.“ Mehr schien er nicht sagen zu können, aber das war auch nicht nötig. Auf Masseys Gesicht leuchtete eine solche Freude auf, dass Katyas fühlte, wie ihr das Herz schmerzte.
„Mein Junge“, sagte Massey. „Saritas geliebter Devraj.“ Er legte seine Hand auf die seines Sohnes.
Sie saßen noch eine Weile beisammen … bis Massey Petrokov wieder der Umnachtung anheimfiel.
„Wie bist du darauf gekommen, ihn nach
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