Ruf der Vergangenheit
du stammst von den größten Sturköpfen diesseits des Äquators ab. Dein Stern wird niemals aufhören zu leuchten.“ Er legte das Blatt auf den Tisch und sah jeden Einzelnen an. „Zarina hat ihren Mann begraben und dennoch weiter für die Freiheit ihrer Kinder gekämpft. Wie können wir hinter dieser Entschlossenheit zurückbleiben?“
Eine Stunde später endete die Sitzung mit dem einstimmigen Beschluss, keinerlei Schritte auf ein wie auch immer geartetes Silentium-Programm zu unternehmen. Die Vergessenen hatten zu lange und zu hart gekämpft, sie konnten jetzt nicht einfach aufgeben.
Dev rief Katya an, sobald er Zeit dazu fand. „Wie geht es dir?“
„Gut.“ Sie lächelte. „Connor hat mir einen Smoothie gebracht – er sagt, du hättest gedroht, ihm die Beine zu brechen, wenn er es vergessen würde.“
„Allerdings.“ Der Schmerz saß tief in seinem Herzen, er sah sie lange an. „Ich müsste um acht zu Hause sein.“
„Wie ist die Sitzung gelaufen?“
Seit er die Wahrheit begriffen hatte und wusste, wie wenig Zeit ihm noch mit dieser schönen und außergewöhnlichen Frau blieb, konnte und wollte er nichts mehr vor ihr verbergen. „Für die Vergessenen gibt es keine einfachen Lösungen. Wir müssen abwarten, was die Zukunft für uns bereithält.“
„Das ist Freiheit, Dev“, sagte Katya leise. „Gebt sie nie auf.“
52
Katya hatte die ganze Nacht darüber nachgedacht, ob sie Dev wirklich darum bitten sollte, denn sie wusste, dass er ihr im Augenblick nichts abschlagen konnte. Sie wollte seine Schwäche nicht ausnutzen, doch gleichzeitig war ihr klar, dass es eine andere Gelegenheit für sie nicht mehr geben würde.
Schwarze computergesteuerte Schienen an den Unterschenkeln hatten ihr ihre Beweglichkeit zurückgegeben – sie ging zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter.
Dev wandte den Blick von den schneebedeckten Wäldern ab und drehte sich um. „Setz dich zu mir auf die Treppe.“
„Ich möchte dich um etwas bitten.“
„Alles, was du willst, mein Herz.“
„Ich möchte deinen Vater kennenlernen.“
Seine Schultern zogen sich zusammen. „Warum?“
„Es gibt so vieles, was ich gerne mit dir tun würde“, sagte sie leise. „Zu den meisten Dingen werde ich nicht mehr kommen, aber das wäre möglich.“
„Ich habe ihm all die Jahre nicht vergeben und werde es auch jetzt nicht tun.“ Er sah starr geradeaus.
„Das weiß ich.“ Sie setzte sich neben ihn. „Aber vielleicht könntest du ihn mit anderen Augen sehen.“
„Das ist reine Zeitverschwendung.“
„Tu es mir zuliebe, Dev.“
„Das war unter der Gürtellinie, Baby“, flüsterte er und legte seinen Arm um ihre Schulter. „Verdammt unfair.“
Ihre Augen brannten, denn sie spürte, wie sehr der starke Mann neben ihr litt. „Bei dir muss eine Frau eben zu allem greifen, was ihr zur Verfügung steht.“
Immerhin der Anflug eines Lächelns. Umschattet von Gedanken über Verlust und Trauer. „Schon gut. Ich bringe dich zu ihm.“
Vier Stunden später betraten sie den großen, sonnigen Besucherraum der Einrichtung, in der Devs Vater nun schon lange zu Hause war. Es war schön hier, genau wie Dev gesagt hatte. Rohrsessel mit weichen, weißen Kissen waren zu Gruppen zusammengestellt, und viele Pflanzen streckten ihre Blätter dem Licht entgegen, das durch die großen Fenster hereinströmte, die einen fantastischen Blick auf eine riesige Gartenanlage boten. Die Welt draußen lag im Winterschlaf, doch das störte die friedliche Aussicht nicht.
Für den einsamen Mann am Fenster hatte der Garten dennoch offensichtlich keinerlei Anziehungskraft. Sein Blick war starr auf die Tür gerichtet.
Katya blieb das Herz stehen, als sie seine Augen sah. „Dev, ihr seht euch so ähnlich.“ Abgesehen von der Hautfarbe war Dev das Ebenbild seines Vaters.
„Stimmt.“ Devs Griff um ihre Taille wurde fester.
Sie wartete, dass er weitersprach, aber er verfiel in Schweigen. Massey Petrokov sah ihnen ebenfalls schweigend entgegen. Als sie vor ihm standen, nahm Katya etwas in seinem Blick wahr, das ihr Tränen in die Augen trieb – eine so hoffnungslose Bitte um Entschuldigung an seinen Sohn, dass es ihr schier das Herz brach. „Guten Tag, Mr. Petrokov“, sagte sie und setzte sich ihm gegenüber.
Der alte Mann, dessen Gesicht wie das eines Greises wirkte, wandte sich ihr zu. „Sie gehören zu meinem Sohn.“
„Ja.“
„Er wird für Sie sorgen“, sagte Massey und folgte mit seinem Blick Dev, der sich neben Katya
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