Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)
passenden Kostüm zu suchen. Das spärliche Licht, das durch die halb geschlossenen Rollos hereinfiel, zauberte irisierendes Blau in sein Haar. Für den Moment war mir seine Aufmerksamkeit leider entzogen. Also machte ich das Beste daraus und ging die Ständer und Auslagen mit den Kostümen durch. Ich fand ein Satinkleid in Smaragdgrün mit passenden Slippern, die ebenfalls aus dem edlen Stoff waren, aber zweckmäßig mit festen Sohlen. Das Oberteil und die Ärmel des Kleides waren mit waldgrüner Spitze besetzt. Zum weit schwingenden Rock gehörten ein Reifrock und unzählige Unterröcke, jeder in einem helleren Grün als der vorherige. Um die Taille und am Kragen verlief ein breites dunkelgrünes Samtband. Das Kleid wurde im Rücken geschnürt, ich brauchte Armands Hilfe, um es überhaupt anziehen zu können. Eine wohlige Gänsehaut überlief mich, als seine Finger meinen nackten Rücken berührten, während er die Bänder schnürte. Seine Lippen berührten kühl und weich meine Schultern und mein Rückrat. Am liebsten hätte ich das Kleid gleich wieder ausgezogen. Aber darauf ging er nicht ein.
Passend zum Gewand fand ich eine Samtmaske, die meine obere Gesichtshälfte verbarg, Nase und Lippen aber freiließ. Armand flocht mir Seidenbänder in unterschiedlichen Grüntönen in die Haare und steckte sie zum Schluss kunstvoll auf meinem Kopf fest. Ich war überrascht, wie geschickt er sich anstellte. Als hätte er das schon hundert Mal zuvor getan.
„Ich hatte Schwestern“, erklärte er augenzwinkernd. Manches würde man eben auch in zweihundert Jahren nicht verlernen. „Fast perfekt“, sagte er, als er mich wohlwollend betrachtete. „Aber eine Kleinigkeit fehlt noch.“ Ehe ich fragen konnte, war er schon verschwunden. Ich wartete unsicher auf seine Rückkehr. Er blieb kaum zehn Minuten fort. „Für die schönste Frau, die Venedig je gesehen hat“, flüsterte er und reichte mir eine Perlenkette mit einem Smaragdherz in der Mitte.
„Armand!“, entfuhr es mir. „Wo hast du das her?“
Er lächelte amüsiert. „Was denkst du wohl? Aus einem Juwelierladen.“
„Du hast es gestohlen?“
„Ebenso, wie wir die Kostüme stehlen werden. Keine Sorge, man wird uns nicht erwischen.“
Der Schock breitete sich langsam aus, aber nicht weniger unangenehm. „Nein!“, sagte ich entschieden. „Das geht nicht. Das kann ich unmöglich tun.“
„Unsinn, ma chère.“ Ich spürte seine Nähe durch den Stoff des Kleides, sein Atem streifte mein Gesicht. „Wir können alles tun. Mach dir keine Gedanken.“
Und wieder schaffte er es, mich mit dieser dunklen, warmen Stimme zu verzaubern. Ein Kuss – sanfte, weiche Lippen – und es war mir egal. Er war bei mir. Was zählte da schon die Welt?
Armand kleidete sich in Dunkelblau. Ein Samtanzug, wie man ihn wohl in seinen sterblichen Tagen getragen hatte. Kniehosen, Jackett, weiße Strümpfe, dazu ein weißes gestärktes Hemd mit Spitze an Kragen und Ärmeln. Schnallenschuhe aus schwarzemLeder. Eine Maske aus Pfauenfedern – irgendwie dekadent – verbarg sein Gesicht, ließ aber die Lippen frei. Er band seine Haare mit einem Satinband im Nacken zusammen. Wir waren ein seltsam schillerndes Paar. Gerade recht für das Treiben in den Straßen dort draußen.
„Mademoiselle.“ Er verbeugte sich tief. Ich gab mir Mühe, einen ordentlichen Hofknicks zu machen.
„Monsieur.“
Er bot mir seinen Arm, und ich hakte mich bei ihm unter. Augenblicke später waren wir wieder in Venedigs Straßen, mischten uns unters Volk. Jetzt fielen wir nicht mehr auf. Ich verlor mich in all dem Trubel, all dem Treiben. Sang und tanzte durch die Straßen. Drehte mich im Kreis, fasste diesen und jenen bei den Händen. Die Menge trieb hierhin und dorthin. Mit den edlen Kostümen und kunstvollen Masken hatte dieser Karneval etwas ausgesprochen Romantisches an sich. Irgendwann sah ich Armand nicht mehr. Er war in der Menschenmenge verschwunden. Hin und wieder blitzte etwas von der Pfauenmaske auf. Als sich feste Arme um mich legten und ein warmer Körper sich an meinen Rücken presste, wusste ich nur allzu gut, was er getan hatte. Wie viele waren es gewesen? Zwei? Drei? Oder noch mehr? Er war menschlich warm. Als ich mich zu ihm umdrehte, wirkte seine Haut kein bisschen unirdisch mehr. Weiche Lippen küssten mich, machten mich benommen vom Geschmack des Blutes, als seine Zunge meinen Mund liebkoste. Ich spürte, wie wir uns von diesem Ort entfernten. So schnell, dass es keiner der Umstehenden
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