Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)

Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya Carpenter
Vom Netzwerk:
das ich immer noch um den Hals trug und rief nach Osira. Aber der Fremde schien nicht die Absicht zu haben, mich anzugreifen. Ich hörte eine leise Stimme in meinem Kopf meinen Namen sagen. ‚Melissa’. Ein dunkler Hauch, der meine Seele streifte. Doch er stand unbeweglich da, und so war ich nicht sicher, ob es vielleicht nur Einbildung war. Kühl und stolz war seine Haltung, zynisch das Lächeln, das um seine Lippen spielte, während er unserer Gondel mit dem Blick folgte. Als wir unter der Brücke durchfuhren, schritt er langsam auf die andere Seite hinüber und blickte uns nach. Ganz leicht neigte er den Kopf, wie zu einem höflichen Gruß. Ich senkte den Blick, zog die Decke fester um meine Schultern. Erst, als wir bereits ein ganzes Stück von ihm entfernten waren, wagte ich es, den Kopf wieder zu heben, um noch einmal zur Brücke zu sehen. Aber er war nicht mehr da. Spurlos verschwunden. Als hätte er sich in Luft aufgelöst, oder sei nie da gewesen. Ignazio lachte nervös.
    „Manchmal passieren hier im Karneval merkwürdige Dinge, nicht wahr, Senorina?“
    „Ich weiß es nicht“, antwortete ich leise, ohne den Blick von der Stelle zu wenden, an der noch Augenblicke zuvor der Vampir gestanden hatte. „Es ist mein erster Karneval in Venedig.“
    Wir fuhren weiter, doch mein Gondoliere sang nicht mehr.
    Eine knappe Stunde später setzte Ignazio mich wieder an der Stelle ab, an der er mich aufgenommen hatte. Wie erwartet, stand Armand bereits dort, um mich in die Arme zu schließen. Er bezahlte Ignazio großzügig, obwohl dieser beteuerte, dass das nicht nötig sei, weil er mir die Fahrt geschenkt habe. Doch schließlich nahm er das Geld und Armand brachte mich fort vom Canale Grande.
    „Ich habe ihn gesehen“, sagte ich, als wir außer Hörweite von anderen Menschen waren.
    „Wen hast du gesehen?“ Er sah mich nicht an, als er mich das fragte, was mir das ungute Gefühl gab, dass er sehr wohl wusste, wen ich gesehen hatte.
    „Einen anderen Vampir.“
    „Ich sagte dir, dass sicher einige hier sind.“
    „Ich rede aber nicht von einigen, Armand. Er wusste, wer ich bin. Wer du bist.“
    „Das dürften viele wissen.“
    „Verdammt noch mal, das meine ich nicht. Ich meine, ich hatte das Gefühl, dass er dich wirklich kennt. Und mich auch. Er nannte meinen Namen und … “
    „Merde!“ Armand blieb stehen und packte mich grob an den Schultern. „Melissa, jetzt hör mir mal zu. Ich weiß nicht, ob du auch nur eine Ahnung davon hast, wie viele meiner Art es auf dieser Welt gibt. Lass dir gesagt sein, es sind eine Menge. Wir alle wissen voneinander. Mehr oder weniger. Aber das Entscheidende ist, dass wir bei einem Menschen spüren, wenn er zu einem von uns gehört. Und das respektieren wir. Also hör auf, in diese Begegnung etwas hinein zu interpretieren.“
    Er ging weiter, ohne mir die Möglichkeit zu einer Antwort zu lassen und zog mich einfach mit. Wir erreichten die Insel etwa eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang.

San Michele
     
    Die Isola San Michele war wunderschön. Sie spiegelte genau das wider, was Venedig ausmachte: Die Verbindung von Romantik und Tod. Unzählige Dichter, Maler und Bildhauer hatte Venedig inspiriert. Die Stadt war voller Schönheit, doch der Tod war allgegenwärtig. Auf Denkmälern, Bildern, in den unzähligen Kirchen, in den Menschen selbst. Und ganz besonders in den Kostümen während des Karnevals.
    San Michele erschien mir wie das schönste Reich der Ewigkeit auf Erden. Erhabene Zypressen ragten hinter der Ziegelsteinmauer des Friedhofes in den Himmel empor. Die Kirche wirkte schon von außen atemberaubend. Durch einen gotischen Kreuzgang gelangten wir auf den Friedhof. Die Gruft lag neben der Kirche und wirkte wenig einladend mit den teufelsähnlichen Masken in der Gittertür. Andererseits konnte man sicher keine Gruft der Welt als einladend bezeichnen.
    „Und so was auf dem Friedhof?“, entfuhr es mir.
    „Andere Zeiten, andere Sitten“, erwiderte Armand ungerührt.
    Er stieß das schwere Gitter auf, schob mich hindurch und schloss es hinter uns wieder. Einige Stufen führten nach unten. Alles war staubig und voller Spinnweben. Ich hasse Spinnen! Mitten im Grabraum ließ Armand mich stehen. Natürlich war die eigentliche Gruft noch nicht unser Quartier. Sie war echt. Hier ruhten Tote, die diese Bezeichnung verdienten.
    Ich hörte Stein auf Stein schaben. Zum zweiten Mal an diesem Abend kam D’Argent mir wieder in den Sinn. Tapfer unterdrückte ich den Impuls zur

Weitere Kostenlose Bücher