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Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)

Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya Carpenter
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Flucht. Da war Armand auch schon wieder an meiner Seite. Er trug eine Fackel. Diesmal war er sanfter, als er meine Hand fasste. Ich musste mich bücken, um durch den Eingang zu seinem Unterschlupf zu passen.
    „Halte das bitte mal“, sagte er und reichte mir die Fackel. Vorsichtig leuchtete ich den Gang vor mir aus. Wieder das schabende Geräusch. Der Stein glitt an seinen Platz zurück. Ein leises Quieken wies auf Ratten hin. Für Armand sicher kein Problem. Für mich schon. „So, da wären wir“, sagte er, als würde er mir eine Hochzeitssuite im Grandhotel vorführen. Er nahm mir die Fackel ab und steckte sie in eine Halterung an der Wand. Der Raum war kahl und eiskalt. Zentralheizung gab’s auf dem Friedhof eben nicht. Aber es war sauber. Keine Ratten, keine Spinnen und auch sonst kein Ungeziefer. Sogar die Spinnweben in den Ecken hatte Armand vorsorglich entfernt. Aus purer Rücksicht auf mich, denn ihm war so etwas gleichgültig.
    Hier war es wirklich ein Sarg. Zumindest etwas in der Art. Aus grobem Stein gehauen. Ich legte meine Hand darauf, fuhr über die glatte Oberfläche. Kalt. So kalt wie mein Liebhaber, wenn er in der Abenddämmerung erwachte. Und genauso hart. Er trat hinter mich und legte mir beruhigend seine Hände auf die Schultern.
    „Es ist nicht gerade das Holiday Inn. Aber innen ist er weich und warm.“
    Ich drehte mich zu ihm um. „Wohl kaum für dich, oder?“
    „Ich sagte dir doch, dass ich unsere kleine Reise vorbereiten würde. Du wärst morgen früh eine gefrorene Leiche, wenn du so in diesem Sarg schlafen müsstest, wie ich es sonst tue.“
    Er sagte das sehr nüchtern. Natürlich, es waren praktische Überlegungen, die er traf. Schließlich hatte er bestimmte Absichten mit mir. Als gefrorene Leiche hätte sich das erledigt.
    Ich beobachtete, wie er die Platte über dem Sarkophag beiseite schob. Er hatte ihn mit Fellen ausgekleidet und mehrere Decken bereitgelegt. Wie fürsorglich.
    „Hier!“ Verblüfft nahm ich meine Jeans und meinen Pullover von ihm entgegen. „Ich habe sie geholt, während du Gondel gefahren bist. Das Kleid ist zu kalt für die Nacht.“
    Ich nahm seine Worte gefühllos auf. Der Zauber, der mich bei unserer Ankunft eingefangen hatte, war zerbrochen. Er hatte mir auch noch einen wärmenden Kaschmir-Mantel mitgebracht, der vermutlich ebenso gestohlen war wie das Kleid und der Schmuck. Auch er tauschte sein Kostüm wieder gegen den schwarzen Anzug, obwohl es für ihn keinen Unterschied gemacht hätte. Höflich, aber deutlich distanziert, reichte er mir die Hand, um mich zu stützen während ich in den Sarg kletterte. Er folgte mir. Eine Bewegung seiner Hand, und die Fackel erlosch. Unheimliche Finsternis umgab mich.
    Er breitete die wärmenden Decken über uns beide und zog mich fest in seine Arme. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass er auch deshalb sehr viel getrunken hatte in dieser Nacht. Und vielleicht war es nicht nur der kleine Trunk gewesen, den er genommen hatte. Er wollte so warm wie möglich sein. So lange wie möglich. Damit ich nicht fror. Obwohl mir allzu bewusst war, dass möglicherweise Menschen dafür hatten sterben müssen, war ich ihm unendlich dankbar. Ich gab meine Sturheit auf und sank gegen seine Brust.
    „Ich liebe dich, Melissa. Bitte glaub mir, ich will dich nicht verletzen“, hauchte er mir ins Ohr.
    „Ich weiß, Armand. Ich weiß. Aber wir sind zu verschieden, als dass sich das immer vermeiden ließe. Doch ich werde lernen, besser damit umzugehen. Ich verspreche es.“
    Wortlos drückte er mich noch fester an sich und küsste meine Stirn. Dann lagen wir ganz still beieinander, lauschten dem Herzschlag des anderen. Ich spürte, wie Armand in die Totenstarre fiel. Ein schreckliches Gefühl. Es machte mir die Tatsache umso deutlicher, dass dies hier nicht sein geheimes Versteck in einer möblierten Londoner Wohnung war, sondern ein Friedhof. Mit echten Särgen. Und echten Leichen. Ich musste daran denken, wie diese Leichen wohl aussahen. Einige bestens konserviert mit Formaldehyd, während bei anderen des Fleisch von den Knochen fiel und die Würmer sich langsam durch die Eingeweide fraßen. Übelkeit stieg in mir auf. Ich holte tief Luft, damit ich mich nicht übergeben musste. Es dauerte Ewigkeiten, bis die Erschöpfung den Ekel überwog und ich in einen unruhigen Schlummer fiel, in dem mich Zombies und tanzende Knochen verfolgten.

Vampire unter sich
     
    Als die neue Nacht hereinbrach, erwachte ich vor Armand. Meine Muskeln

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