Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)
konnte ihn fühlen. Gefahr. Eine Warnung, nicht weiter zu gehen. Doch ich stürzte bereits hinein. Ein Riss im Leben. Zwischen Sterblichkeit und Ewigkeit. Die Wandlung war kein angenehmes Gefühl. Egal, was Armand mir erzählt hatte. Die Vorstellung konnte sich nicht messen mit dem, was mich in dieser Finsternis erwartete, die zwischen seinem Leben und seiner Unsterblichkeit lag. Es raubte mir den Atem. Ich wollte mich losreißen, aber etwas hielt mich fest. Ein Raubtier, das seine Beute packte. Knurrend, zähnefletschend. Gierig nach mir. Es kostete bereits von mir. In der Erwartung, mich irgendwann ebenfalls zu verschlingen. Und es ließ mich kosten. Seine Essenz rollte durch meine Venen. Mächtiger, als es beim kleinen Trunk je möglich gewesen wäre. Verlockend und abschreckend zugleich.
Mit einem leisen Schrei brach ich die Verbindung ab. Wich vor Armand zurück. Keuchend, angstvoll.
Armand sah mich an und zog mich behutsam wieder in seine Arme. Ich wehrte mich nicht. Er hatte mir mehr gegeben als irgend einem anderen Menschen je zuvor. Sein Leid war das meine geworden. Für Sekunden nur. Doch lange genug, um mich zu fragen,wie er das ertragen konnte. Im eisigen Feuer der Wandlung war er neu geschmiedet worden. Von dem sterblichen Mann aus dem Adel des 18. Jahrhunderts war kaum etwas geblieben, als der Dämon ihn in Besitz genommen hatte. Armand wusste das. Und ich wusste jetzt, dass es mir ganz genauso ergehen würde, falls ich mich entschloss, ihm zu folgen.
Er fasste mein Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger, hob meinen Kopf, bis sich unsere Blicke begegneten. In seinen Augen las ich die Frage, deren Antwort mich allen Mut kostete, den ich noch aufbringen konnte. Und doch bestand diese Antwort aus nur einem Wort.
Liebe
. Mehr denn je.
So gern ich es auch vor mir hergeschoben hätte, es wurde allmählich Zeit, Franklin anzurufen und ein Lebenszeichen von mir zu geben. Also ließ ich Armand allein auf die Jagd gehen und wählte stattdessen die Nummer von Franklins Bürotelefon.
„Ashera Mutterhaus London“, meldete sich seine vertraute Stimme.
„Hallo Franklin. Ich bin’s, Melissa.“
„Wo um alles in der Welt steckst du?“ Seine Stimme klang nicht nur vorwurfsvoll, sondern stinkwütend. „Wir haben uns Sorgen um dich gemacht, verdammt noch mal!“
„Es tut mir Leid. Ich bin mit Armand in New Orleans.“
„New Orleans? Was machst du in New Orleans? Und warum um alles in der Welt kannst du nicht dein verdammtes Handy mitnehmen? Dafür ist dieses Ding schließlich da.“
Er ging gar nicht weiter darauf ein, dass ich mit Armand hier war, denn er hatte nichts anderes erwartet.
„Na ja, wir sind ja nicht direkt nach New Orleans geflogen. Wir waren beim Karneval in Venedig. Und dann noch beim Mardi Gras hier in New Orleans. Armand hatte noch etwas zu erledigen, deshalb sind wir nicht gleich zurück gekommen. Mein Handy hab ich in der Eile einfach vergessen. Deshalb wollte ich dir ja jetzt Bescheid geben, dass mit mir alles in Ordnung ist.“
„Das hättest du vor ein paar Tagen schon tun sollen, junge Dame! Herrje, wir halten es hier mit den Regeln ja längst nicht so streng wie in anderen Mutterhäusern, aber eine gewisse Disziplin erwarte ich schon. Du hättest zumindest ein Lebenszeichen von dir geben können.“
„Als wir aufbrachen, haben alle geschlafen.“ Eine dämlichere Ausrede fiel mir nicht ein.
„Dürfte ich bitte erfahren, wann du gedenkst, wieder nach Hause zu kommen?“
„Wir hatten vor, morgen zurück zu kommen.“
„Wenn es euch beiden nichts ausmacht“, bemerkte Franklin mit zuckersüßer Stimme, „wäre ich sehr dankbar, wenn ihr euch schon heute auf den Heimweg machen würdet.“
Göttin, er war wirklich richtig wütend! „Ich weiß nicht, ob das geht. Das hängt von Armand ab.“
„Dann sag ihm gefälligst, dass ich dich auf dem schnellsten Weg hier erwarte.“
„Er ist im Moment nicht hier.“
Darauf sagte Franklin nichts. Nach einem Moment des Schweigens wies er mich lediglich noch einmal in scharfem Ton an, so schnell wie möglich wieder in London zu erscheinen. Dann hörte ich ein Klicken in der Leitung.
Etwa zwei Stunden später kam Armand zurück. Er sah mir schon beim Eintreten an, was los war. „Ist unser großer Vater ein bisschen gereizt?“
„Das ist ein kleines bisschen untertrieben“, gab ich zurück und lächelte gequält.
„Mach dir keine Sorgen. Franklin kannst du ruhig mir überlassen.“
Armands Art, die Dinge zu regeln, entsprach
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