Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)
seiner Muskeln. An dem bedrohlichen Glanz in der meeresblauen Iris.
„Weißt du eigentlich, wie leicht es für mich wäre, dich zu uns zu holen?“, flüsterte er. „Bist du dir des Risikos bewusst, das du eingegangen bist, als du freiwillig dieses Haus betreten hast?“
Seine Stimme klang rau und dennoch verführerisch. Ich fing an zu zittern und fragte mich, was ich mir dabei gedacht hatte, den Ältesten aufzusuchen. Er war viel mächtiger, als ich gedacht hatte. Ich hätte mich nicht von Lemain hierher bringen lassen dürfen. Und Das Blut! Ich konnte sein Blut riechen. Mächtiges, verlockendes Blut. Ich hatte heute nicht trinken können. Und die Hälfte meines Körpers, die schon Vampir war, verlangte unerbittlich danach. Meine Knie gaben nach.
Im einen Moment sah ich Lucien noch auf seinem Thron sitzen, gut sechs Meter von mir entfernt. Im nächsten war sein Gesicht ganz nah, und sein Atem streifte meine Wange. Er fing meinen Fall auf, hielt mich in seinen Armen.
„Sag mir, meine kleine Füchsin, würdest du dich wehren, so wie du dich gegen Dracon gewehrt hast? Oder würdest du dich mir ergeben, so wie du dich Lemain ergeben hast?“ Er klang so, als würde ihn ernsthaft interessieren, wie ich mich entschied.
„Woher weißt du das alles?“ Ich hatte meine Stimme kaum unter Kontrolle. Er schien alles zu wissen. Ob aus meinem Geist oder woher auch immer.
„Ich bin das, was uns alle ausmacht. Ich weiß alles, was geschieht“, flüsterte er.
„Und was ist mit dem, der dich geschaffen hat?“
Seine Hand schoss vor und umfasste meine Kehle mit sanftem Druck. Grade genug, um mir das Atmen zu erschweren, aber noch nicht lebensbedrohlich.
„Möglicherweise gibt es niemanden mehr, der mich geschaffen hat. Und wenn es so ist, dann bin ich der Anfang, und werde das Ende sein“, sagte er mit dunkler rauchiger Stimme. Mir schwanden die Sinne.
Seine Zähne ritzten meinen Hals, nahe der Schlagader, aber nicht nahe genug. Seine Zungenspitze leckte über die winzige Wunde, und ich konnte spüren, wie sie sich wieder schloss.
„Beantwortest du nun meine Frage?“, drängte Lucien.
„Ich weiß nicht, bitte, ich will nicht die Schachfigur sein, die zwischen euch hin- und hergeschoben wird. Warum will mich jeder von euch haben?“
„Du wirst es herausfinden,
thalabi
, wenn die Zeit reif ist. Doch nun sag mir, dass du mich willkommen heißt, und du wirst nicht länger Spielfigur sein, sondern selbst einer der Spieler.“
Wieder der kurze scharfe Schmerz, den ich schon unzählige Male gespürt hatte, aber er trank nicht.
„Ja“, flüsterte ich und war mir kaum sicher, ob ich es wirklich gesagt hatte. Dann füllte endlich der ersehnte Nektar meinen Mund, und die Welt verschwamm vor meinen Augen.
Ich erwachte in Dunkelheit und fühlte mich seltsam benommen. Ich war allein und kam mir merkwürdig beengt vor. Als ich erkannte, wo ich war, überkam mich blinde Panik.
Ich lag in einem Sarg.
Und diesmal war es wirklich einer. Okay, sicherlich ein teurer, denn er war mit Samt und Seide ausgeschlagen. Aber verdammt noch mal, es blieb ein Sarg!
War ich ein Vampir?
Hatte Lucien es wirklich getan? Wohl kaum, da ich in der Dunkelheit nichts erkennen konnte. Ein Vampir konnte im Dunkeln sehen. Vorsichtig versuchte ich den Deckel aufzuklappen, aber er war von außen verschlossen und ließ sich nicht öffnen. Das konnte mein Todesurteil werden. Niemand außer Lemain, der wohl kaum zu meiner Rettung eilen würde, wusste, dass ich bei Lucien war. Und welche Veranlassung hatte der, mich nicht in diesem Sarg verhungern zu lassen?
Ich hatte den Gedanken kaum zuende gebracht, als der schwere Deckel sich hob und Lucien mich ansah.
„Du hast aber wirklich keine sehr hohe Meinung von mir,
thalabi!
“, tadelte er mich. „Dabei habe ich sogar extra ein paar Luftlöcher zum Atmen für dich in den Sargdeckel gebohrt. Schade um das schöne Holz!“ Bedauernd strich er über die beschädigten Stellen.
Ein makabres Spiel. So, wie er es wohl gerne spielte – nach seinen Worten von letzter Nacht zu urteilen.
„Was heißt das, wie du mich nennst –
thalabi
’?“
„Es ist arabisch. Es heißt kleine Füchsin.“
Sein Blick erschütterte mich bis ins Mark. Da war ein Hunger, da war ein brennendes Verlangen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man so begehren konnte und sich dennoch zu zügeln vermochte. Panisch versuchte ich, aus dem Sarg zu springen, doch ich wurde förmlich zurückgeschleudert. Er war über mir, noch
Weitere Kostenlose Bücher