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Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)

Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya Carpenter
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unter meinen Fingern anfühlen. Unwirklich und unvergänglich.
    Lucien drehte sich um, nahm einen neuen Span und fuhr fort, die Kerzen zu entzünden. Gerade so, als sei nichts geschehen. Keuchend vor Schreck und gleichzeitiger Erleichterung stieß ich den Atem aus. Ich beobachtete sein Tun mit einem Anflug von Argwohn und fragte mich, ob er wohl – ähnlich wie Lemain – die Flamme des Spans auch mit seiner puren Willenskraft entzünden konnte. Ich hatte das ungute Gefühl, dass er mit einer einzigen Geste gleich alle Kerzen in diesem Raum auf einmal hätte entzünden können. Warum er auf diese Machtdemonstration verzichtete, konnte ich mir nicht erklären. Entweder, weil er dies nicht für nötig erachtete, oder weil er schlicht an diesen einfachen menschlichen Handlungen hing – wie so viele andere Unsterbliche auch.
    Aber die Macht dazu hatte er. Wie er auch Macht über mich haben konnte. Dies war sein Heim. Er war der Älteste, hatte Lemain gesagt. Der Lord. Auch Athaír hatte Armand nach dem Lord gefragt. Und der hatte ihm geantwortet, dass der Lord wachte. Hatten die beiden von Lucien gesprochen? Es erschien mir möglich. Logisch. Lucien verkörperte das, was ich mir unter einem Vampirlord vorgestellt hätte. Fünftausend Jahre war er schon unsterblich. Also war er weise und über alles erhaben. Ich bemühte mich, ihn mit mehr Ruhe zu beobachten.
    Schließlich stieg er die Stufen zu einer kleinen Empore hinauf, auf der ein thronartiger Stuhl stand, und nahm mit der Geschmeidigkeit einer Raubkatze darauf Platz. Dieser Stuhl war aus Stein gemeißelt. An seinem Rand verliefen Reliefs in Form von sich windenden, menschenähnlichen Wesen. Seelen im Höllenfeuer? Rechts und links der Sitzfläche und auch der Rücklehne waren Totenköpfe aus dem einstigen Fels herausgeschlagen und fein zurechtgeschliffen worden. Mit hämischem Grinsen und düsterenleeren Augenhöhlen. Mich schauderte bei diesem Anblick, doch Lucien schien davon nichts zu bemerken. Oder er ignorierte es ganz bewusst. Er griff neben den Thron, wo ein schwarzer Gehstock stand.
    Eingehend betrachtete er den Knauf – einen silbernen Pantherkopf – und fuhr mit dem Finger die Konturen nach. Irgendwie kam mir dieser Stock seltsam vertraut vor. Ich schluckte hart, als die Erinnerung an einen Vampir auf einer Brücke in Venedig zurückkehrte, der meinen Namen nannte.
    „Halte mich nicht für weise,
thalabi
. Du kannst mich für grausam halten oder lüstern, verdorben oder böse. Aber nicht weise.“
    Der Ausdruck in seinem Gesicht unterstrich die Worte in einer Art, dass es mir kalt den Rücken herunterlief. Unnachgiebig und irgendwie endgültig. Für einen Moment hegte ich Zweifel, ob ich diese Burg unbeschadet wieder verlassen würde.
    „Ich fürchte, ich weiß nicht, was du meinst, Lucien“, sagte ich unsicher. Er lächelte nachsichtig.
    „Du denkst, das Alter hätte mich weise gemacht. Ein jahrtausendelanges Leben. Dass ich nicht mehr aus purem Vergnügen töte, darüber hinaus bin, mit meinen Opfern zu spielen und sie zu umgarnen. Gnädig töte und meine Opfer unter den Armen und Hoffnungslosen suche. So siehst du mich, seit Lemain dir gesagt hat, dass ich der Älteste bin. Aber so ist es nicht. Mein Herz ist kalt und mitleidslos, meine Seele grausam und gleichgültig. Und so bin ich auch.“
    Meine Kehle wurde trocken. „Das kann ich kaum glauben“, brachte ich mühsam hervor.
    „Glaub es,
thalabi!
. Ich liebe es zu spielen. Ich liebe es, meine Opfer mit ihren Sehnsüchten zu locken und mit ihren Ängsten zu quälen. Das ist meine Natur. Und glaube mir noch eines.“ Er beugte sich vor. Sein Blick wurde eindringlicher. Hielt mich gefangen und begann mir die Sinne zu vernebeln. Ich spürte es, erinnerte mich an Franklins Lektionen, wie ich mich dagegen wehren sollte, war aber nicht fähig, es auch zu tun. Luciens Stimme klang tief und sanft bis in mein Innerstes. Ließ meine Seele vibrieren wie ein in Schwingung versetztes Glas. Kurz vor dem Zerbersten. „Das Einzige, was mich im Moment davon abhält, dich zu nehmen, sind unsere Gesetze und auch die nur, weil deren Erschaffer noch viel älter sind als ich. Du gehörst einem anderen.“
    Die Schwingung verlor sich, als er sich zurücklehnte und sein Blick gleichgültig wurde.
    „Lemain hat sich nicht um dieses Gesetz geschert, im Gegenteil. Und Dracon kümmern sowieso keine Regeln. Wozu sind sie also gut?“ Meine Stimme klang trotz meiner Benommenheit vorwurfsvoll, und das sollte sie

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