Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)
war wunderschön, sein Gesicht in diesem Licht strahlen zu sehen. Ich lächelte unwillkürlich über den friedlichen Ausdruck, der sich auf seine Züge gelegt hatte. Armand erwiderte mein Lächeln. Ich sah die Fangzähne aufblitzen. Klein und spitz und messerscharf. Der Gedanke, wie sie gierig meine Halsschlagader aufrissen, zog wie eine dunkle Wolke über das friedliche Bild. Sie verflog so schnell, wie sie gekommen war. Bei Armand war ich in Sicherheit. Er würde mir nichts antun. Würde mir nicht das Leben nehmen. Es hatte in seiner Hand gelegen, heute Nacht. Und er war sorgsam damit umgegangen. Seine Hand, die zärtlich meinen Rücken streichelte und köstliche Schauer an meiner Wirbelsäule entlang sandte, vertiefte dieses Vertrauen in mir noch einmal. Ich seufzte tief und selig, schloss meine Augen wieder, um die letzten Augenblicke auszukosten, bevor ich gehen musste.
Als der Horizont sich bereits silbern färbte, erhob Armand sich vom Bett. Widerwillig folgte ich seinem Beispiel. Franklins Worte fielen mir siedend heiß wieder ein, und ich verfluchte mich für meinen Mangel an Disziplin.
„Oh verdammt! Franklin sagte, bis zur Dämmerung soll ich zurück sein.“
„Er wird dir schlimmstenfalls eine kleine Standpauke halten, aber die Hauptschuld wird er ohnehin bei mir suchen. Er kennt mich.“
Einen Moment traf es mich ins Herz, dass ich wohl nicht die erste war, die das hier erlebt hatte. Obwohl mir das beim Betreten des Raumes klar vor Augen gestanden hatte. Dass dieses Zimmer nur der Leidenschaft, nur der Verführung diente. Ausschließlich zu diesem Zweck und unter diesen Gesichtspunkten hergerichtet. Er las meine Gedanken und nahm mich liebevoll in die Arme, wobei er mein Gesicht mit einem Finger zu sich hob.
„Du warst die erste, ma chère. Keine andere hat es überlebt.“ Meine Gefühle bei diesen Worten waren gemischt, aber schließlich wusste ich ja, was er war. „Möchtest du noch mit nach unten kommen?“, bot er an.
Ich wusste, dass dies ein Vertrauensbeweis war, wie er größer nicht hätte sein können. Nirgends ist ein Vampir verletzlicher als während seines Tagesschlafes. Aber ich schüttelte den Kopf. Soweit war ich noch nicht. Zu wissen, dass er jeden Morgen in eine Totenstarre verfiel oder es zu sehen, waren zwei völlig verschiedene Dinge. Er verstand mich, ohne dass ich es erklären musste. Ein flüchtiger Kuss zum Abschied. Dann eilte ich so schnell ich konnte zurück zum Mutterhaus.
Franklin hatte bemerkt, dass ich erst kurz vor dem Frühstück wieder in Gorlem Manor angekommen war. Außerdem sprachen die dunklen Ringe unter meinen Augen Bände. Er erteilte mir eine kleine Standpauke. Schließlich war Zuverlässigkeit innerhalb des Ordens wichtig. Ich versprach, dass ich beim nächsten Mal besser darauf achten würde, die Zeit nicht zu vergessen. Und damit war die Sache auch vom Tisch. Zumindest fast.
„Ist noch etwas?“, fragte ich, als Franklin sich räusperte.
„Nun, noch eine Kleinigkeit.“ Ich spürte, dass ihm unangenehm zumute war. „Warst du die ganze Nacht bei Armand?“
„Natürlich, wo sollte ich denn sonst gewesen sein?“ Ich verstand nicht, worauf er hinauswollte. Doch dann dämmerte es mir. Die eigentliche Frage, die er hatte stellen wollen, hing unausgesprochen im Raum. Ich fand es albern, um den heißen Brei herumzureden. „Warum fragst du mich nicht einfach, ob ich mit ihm geschlafen habe?“
Dass ich ihn damit konfrontierte, brachte Franklin kurzzeitig aus dem Gleichgewicht. Sein Gesicht wirkte mit einem Mal wächsern. Vielleicht hatte er die Verbindung zwischen mir und Armand nicht ganz so tief eingeschätzt, wie sie war.
„Hast du?“
„Bin ich verpflichtet, dir als Oberhaupt diese Frage zu beantworten?“
„Nein, das bist du nicht.“
„Dann lassen wir es dabei. Ich will sie nämlich nicht beantworten.“ Ich war schlicht der Meinung, dass es ihn nichts anging. Er gab sich damit zufrieden.
Ich wusste nicht, warum ich Franklin so vor den Kopf stieß. Schließlich verdankte ich ihm eine neue Heimat. Aber ich genoss das Gefühl der Macht, dass er etwas wissen wollte, was ich nicht preisgab. Natürlich konnte er es sich denken, aber er konnte nicht sicher sein.
Ich bekam die Strafe für mein Verhalten noch am selben Nachmittag. Durch die magische Regel, dass alles, was man im Leben tut, zehnfach auf einen zurückfällt. Irgendwann im Laufe des Tages verwob sich der Rausch, den ich in Armands Armen erlebt hatte, mit der Aussage des
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