Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)
seltsamen Situation fertig zu werden. Als ich mich noch immer auf Distanz hielt, seufzte Armand schließlich ergeben. „Mel, du hast dich nicht zwischen uns gedrängt. Und Franklin legt keinerlei Wert darauf, noch einmal das Bett mit mir zu teilen. Er hätte es damals verhindert, wenn er gekonnt hätte, und er würde es auch heute wieder versuchen.“
„Warum hat er dich dann so angesehen?“
„Vermutlich würde er auch gerne verhindern, dass
du
mit mir das Bett teilst.“
„Aber wenn er dich nicht will, warum dann diese Eifersucht?“
„Wie kommst du nur darauf, dass es Eifersucht ist?“ So langsam war er genervt. „Er macht sich Sorgen um seinen neuen Schützling. Schließlich ist er der Vater dieses Mutterhauses. Er kennt mich und weiß, dass du mir noch weniger entgegenzusetzen hast, als er, wenn’s drauf ankommt. Und wie wenig ihm seine Fähigkeiten gegen mich nutzen, hast du eben selbst gesehen.“ Das Lächeln, mit dem er diese Worte aussprach, gefiel mir ganz und gar nicht.
Als er fort war, mit nichts als einem unschuldigen Kuss zum Abschied, lag ich noch lange Zeit wach und dachte an ihn. Osira leistete mir dabei Gesellschaft. Sie rollte sich an meiner Seite zusammen, legte den Kopf auf meinen Bauch und blickte mich fragend aus ihren gelben Augen an.
„Du liebst ihn?“
Sie stellte es als Frage, aber ich wusste, es war mehr eine Feststellung.
„Ich denke schon.“
„Warum folgst du ihm dann nicht?“
„Ich will nicht, Osira. Der Gedanke an Unsterblichkeit macht mir Angst. Es ist so endgültig. Und gleichzeitig so verdammt end-
los
. Außerdem weiß ich praktisch nichts über ihn. Er lässt mich nicht an sich ran.“
„Vielleicht hat er seine Gründe.“
„Die hat er sicherlich, aber das macht es nicht leichter. Und jetzt noch die Sache mit Franklin.“
„Du bewertest das über. Er schläft mit unzähligen Männern und Frauen. Das weißt du doch. Mit Franklin bleibt es wenigstens in der Familie.“
„Ich könnte dich erwürgen, wenn du so redest!“
Sie sah mich nachsichtig an. „Er ist, was er ist. Und vielleicht wirst du es mit der Zeit besser verstehen.“
Am nächsten Morgen beschloss ich, mich bei Franklin zu entschuldigen. Dafür, dass ich an seinem Arbeitszimmer gelauscht hatte. Und weil ich mich in Dinge eingemischt hatte, die mich nichts angingen. Direkt nach dem Frühstück mit Ben, während dem ich meinem neuerkorenen großen Bruder mindestens hundertmal versichern musste, dass auch wirklich nichts Schlimmes vorgefallen war, suchte ich Franklin. Ich fand ihn schließlich in einem der Kellergewölbe, wo er nach etwas suchte. Mit einem Räuspern machte ich mich bemerkbar. Er blickte nur kurz auf.
„Oh, Melissa. Gut, dass du hier bist. Vielleicht sehen deine Augen ja mehr als meine.“ Er schob die Brille auf seiner Nase zurecht, bevor er einen weiteren Karton öffnete. „Ich suche nach einem Kristall, der zu diesem Manuskript hier gehört. Normalerweise müsste er bei den Schriften liegen, aber ich finde ihn einfach nicht.“
Man merkte ihm den Vorfall vom gestrigen Abend nicht im Geringsten an. Ich fing an, mich ebenfalls im Bereich der Manuskripte nach einem Kristall umzusehen und fragte dabei beiläufig, um ein Gespräch in Gang zu bringen, welche Art Kristall wir suchten.
„Einen apryphischen. Er stammt etwa aus der Zeit um 2100 vor Christus. Er ist sehr stark. Ich nahm ihn damals aus New Orleans mit, als ich nach London kam. Und jetzt möchte das dortige Mutterhaus ihn gerne zurück. Sie planen eine Ausstellung, bei der sie ihn zeigen werden.“
Ich schluckte hart. ‚Meistens lebe ich jetzt in London oder New Orleans’. „Hast du Armand dort kennen gelernt? In New Orleans?“ Vielleicht hätte ich nicht fragen dürfen, aber ich konnte einfach nicht anders.
Franklin hielt kurz inne und sah mich über den Rand der Brille an. „Nun, nicht ganz. Meine Mutter hat uns hier in London miteinander bekannt gemacht, nachdem ich aus New Orleans zurückgekommen war. Ich bin in London geboren und habe nur meine Ausbildung in New Orleans beendet.“ Die Frage, ob auch seine Mutter Armands Charme erlegen war, brannte mir auf der Zunge. Aber ich war hier, um mich zu entschuldigen, nicht um Franklin noch mehr zu beleidigen. Also schluckte ich die Frage runter. Doch vergebens. Franklin hatte meine Gedanken gelesen. „Ich weiß es nicht, Mel. Sie hat nie darüber gesprochen und er auch nicht. Aber die beiden kannten sich noch nicht sehr lange. Offenbar war Armand mehr
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