Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)
an mir interessiert, nachdem er von meiner Existenz erfahren hatte. Vielleicht war der Umweg über meine Mutter nichts anderes als ein hübsches Spiel für ihn. Er spielt gerne. Aber das weißt du ja schon.“
Ich sagte nichts mehr. Es ging hier um Franklins Privatleben, das ging mich nun wirklich nichts an. Ich war gestern bereits zu weit gegangen. Irgendwo musste Schluss sein. Während ich immer noch versuchte, mir Worte der Entschuldigung zurechtzulegen, fand ich schließlich den Kristall.
„Ich glaube, ich habe das Steinchen“, sagte ich, um Humor bemüht. Franklin runzelte zwar die Stirn, nahm mir den Kristall dann aber mit einem amüsierten Lächeln ab.
„Wunderbar. Dann kann ich das Paket ja fertig machen.“
Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen. Eine bessere Gelegenheit würde sich wohl so schnell nicht wieder bieten.
„Franklin, es tut mir Leid.“
Verwundert sah er mich an. „Was tut dir Leid?“
„Na, mein Verhalten gestern. Ich hätte dir die Antwort auf deine Frage nicht schuldig bleiben und ich hätte gestern Abend nicht an deiner Tür lauschen dürfen. Und überhaupt hätte ich mich nicht einmischen sollen, was dich und Armand angeht.“
So, jetzt war es raus. Franklin sah mich nachdenklich an. Dann nahm er mich in seine Arme und drückte mich väterlich an seine Brust. „Mein Kind, es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest. Alles, was mit Armand zu tun hat, ist nicht leicht. Das weiß ich nur zu gut. Und da du ihn ganz offensichtlich liebst, wird es für dich noch umso schwerer sein.“
„Aber liebst du ihn denn nicht auch?“
Er lachte leise. Dann legte er mir in einer Geste, die mich wohl beruhigen sollte, die Hand auf die Schulter. „Nicht so, wie du offenbar glaubst. Sicher, es wäre mir lieber, du würdest nicht zu einem Kind der Nacht werden. Ich würde alles tun, um das zu verhindern. Aber nicht, weil ich eifersüchtig bin. Du bist jetzt ein Kind der Ashera. Ich fühle mich für dich verantwortlich. Letztendlich wird es aber – hoffentlich – allein deine Entscheidung sein.“
Das ‚hoffentlich’ gefiel mir gar nicht. Er kannte Armand länger und besser als ich. Und wenn er ihm zutraute, mich auch gegen meinen Willen zum Vampir zu machen, sah die Lage nicht gut aus. Andererseits hatte Armand sein Wort gegeben und bisher noch keinen einzigen Grund geliefert, daran zu zweifeln. Doch konnte er meine Entscheidung, meinen Willen, nicht auch beeinflussen? Er hatte Franklin beeinflusst, und der war auf paranormaler Ebene wesentlich stärker als ich. Ich war versucht, Franklin zu fragen, warum Armand ihn gegen seinen Willen genommen hatte, aber allein der Gedanke an eine solche Frage trieb mir die Schamesröte ins Gesicht. Ich war unendlich dankbar für die Dunkelheit des Kellers. Franklin bat mich, ihn zu begleiten, als er den Kristall in unsere Poststelle brachte. Danach machten wir es uns im Kaminzimmer gemütlich. Bei einer Tasse heißer Schokolade erzählte ich ihm von meinen Geistererscheinungen während des Examens. Zu meinem Erstaunen berichtete er mir schmunzelnd von ähnlichen Erfahrungen während seiner Studienzeit.
„Du hast außerhalb der Ashera studiert?“
„Natürlich. Jeder, der als Kind in die Ashera geboren wird verbringt seine Schulzeit zwar in einer der ordenseigenen Schulen, doch sein Studium muss er an einer öffentlichen Universität machen. Wie können wir uns in der Welt sicher bewegen, wenn wir sie nicht kennen lernen?“
Das klang logisch. Wie anders wäre mein Leben wohl verlaufen, wenn auch ich in Gorlem Manor aufgewachsen wäre? Mit meiner Mutter. Und vielleicht auch mit meinem Vater, wenn er ebenfalls zum Orden gehören sollte.
Ein paar Tage nach unserer kurzen Aussprache im Keller rief Franklin mich zu sich. Sein Arbeitszimmer war immer ein außergewöhnlich gemütliches Chaos. Von Ordnung hielt er nicht allzu viel. Vielleicht fehlte ihm eine Sekretärin. Aber selbst die hätte es vermutlich nie geschafft, Ordnung in dieses Wirrwarr von Büchern, Briefen, Notizen und merkwürdigen Dingen zu bringen. Wenn man das Zimmer betrat, blickte man direkt auf eine Unmenge von Büchern, die hinter Franklins Schreibtisch in Regalen die gesamte Wand bedeckten. Die Seite rechts von der Tür wurde fast komplett von einer riesigen Fensterfront eingenommen. Hier befand sich auch eine kleine Sitzgruppe aus bequemen Polstersesseln und einem kleinen Marmortisch. Franklin nutzte es oft für diskrete Besprechungen. Aus den Fenstern hatte man einen
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