Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
Mond die Sonne besiegt, die Ewige Nacht hereinbricht und die Welt uns gehört.“
„Il le savait, n’est-ce pas? Er wusste es, nicht wahr? Er hat auch den ersten Engel nicht zufällig gefunden.“ Armand, der bisher schweigend am PC gesessen hatte, klang bitter bei diesen Worten. Die verhaltene Wut in seiner Stimme verwirrte mich noch mehr. Ich hatte keine Ahnung, wovon sie sprachen.
„Ja“, gestand Lucien. „Er las die Legende in meiner Bibliothek. Als Knabe. Lange bevor ich ihm
Das Blut
gab. Seit seiner Geburt in die Dunkelheit sehnt er sich nach der Ewigen Nacht. Er glaubt an die Wahrheit der alten Überlieferung. Jetzt hat er die Macht dazu und weiß, dass es die Engel wirklich gibt.“
„Was heißt das, er hat jetzt die Macht dazu? Warum hatte er sie vorher nicht. Was hat das Elixier bewirkt?“
Franklin räusperte sich bei meiner Frage. Offenbar hatte er sich wieder gefangen.
„Die Engel können nur am Tag angegriffen werden. Nachts schlafen sie in einer sicheren Krypta. Und zumindest einige dieser Orte sind in der Nacht gar nicht zugänglich, weil sich die Siegel schließen und die Eingänge dorthin verbergen. Erst im Morgengrauen öffnen sie sich wieder und die Engel kommen zur Quelle, um sie mit ihren Tränen zu speisen. Zusammen mit der Kraft des Mondes entstehen so Ebbe und Flut.“
Ich ließ das Gehörte erst mal sacken. Das war ziemlich starker Tobak. Die Ewige Nacht. Selbst für mich klang das verlockend. Keine Einschränkungen mehr durch die Flucht vor dem Sonnenlicht. Aber mir war auch bewusst, welche Folgen das gehabt hätte. Für die sterbliche Welt und somit genauso für uns Unsterbliche. Es war utopisch, eine wahnwitzige Idee. Ohne die Sonne gab es kein Leben. Weder sterbliches, noch unsterbliches. „Der Engel sagte, er würde bald geheilt werden, weil er in das Reich der Herrlichkeit zurückkehrt und ein anderer seinen Platz einnimmt. Er meinte, alles würde wieder gut werden“, sagte ich.
„Wenn mein Dunkler Sohn es nicht in diesem Zyklus schafft.“
„In diesem Zyklus? Was für ein Zyklus?“
„Die Engel wechseln in jedem Mondzyklus“, erläuterte Franklin. „Immer bei Neumond. Dracon müsste alle Engel eines Zyklus transformieren. Nur dann würden alle Flüsse und Meere in Blut verwandelt.“
„Und wenn er es nicht schafft?“
„Dann beginnt der Wettlauf aufs Neue, weil er es wieder von vorn versuchen wird. Solange er kann. Solange ihn niemand aufhält“, beantwortete Lucien meine Frage.
„Bis zum nächsten Neumond bleiben uns noch vierundzwanzig Tage.“
Lucien nickte. „Wenn wir ihn nicht stoppen, wird Dracon keinen weiteren Zyklus brauchen. Er wird sie finden. Denn er kennt die Schriften und Rätsel auswendig. Er weiß, wonach er suchen muss.“
„Aber das wissen wir doch auch“, warf ich ein. „Wenn es um die sieben Weltmeere geht, sollte es kein Problem sein, die Quellen der sieben Hauptflüsse zu finden. Das ist simple Geografie.“
„So einfach wird es leider nicht sein, Mel“, klärte Franklin mich auf. „Die sieben Quellen haben nicht das Geringste mit den uns bekannten Flüssen und Meeren zu tun. Wir kennen nicht mal ihre Namen, geschweige denn die Orte, wo sie sich befinden. Sie sind unterirdisch. Verborgen. Geheim. Dadurch, dass alle Flüsse und Meere der Welt mehr oder weniger miteinander verbunden sind, spielt es keine Rolle, wo sich die Quellen befinden. Früher oder später münden alle Wasser in eines der Meere. Um es auf den Punkt zu bringen: Wir wissen im Augenblick gar nichts.“
Na prima.
„Die Ashera hat doch sicher Aufzeichnungen über die Legende“, wandte Lucien ein. „Und die Rätsel. Es ist einen Versuch wert, sie zu entschlüsseln und vor Dracon zu finden.“
„Was ist mit deinen Schriften über die Engel-Legende? Sie wären sicher nützlicher, als die Abhandlungen die sich im Zentralrechner des Ordens befinden“, meinte Armand. In Luciens Blick lag eine Mischung aus Bedauern und Verlust.
„Ich habe sie nicht mehr. Er hat sie gestohlen, als er mich verließ.“
„Nun, das sollte kein Problem sein. Wir haben fast jede Abhandlung in unseren Archiven, die es gibt. Wissen Sie noch, von wem die Abhandlung stammte, die sich in Ihrem Besitz befand, Lucien?“
Der Lord wirkte gekränkt bei dieser Frage. „Keine Abhandlung oder Kopie, Franklin. In meinem Besitz befand sich das echte, das originale Dokument. Mit den alten Reimen und der ganzen Wahrheit über die Wächter des Lebens und das Schicksal der Menschen in der
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