Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
lächelte, blitzen ihre Fangzähne auf. Obwohl er ihre Hand ergriff, wich er reflexartig einen Schritt zurück. Sie lachte amüsiert. Ein glockenhelles Lachen, wie das eines Engels. „Oh Mr. Smithers. Solche Angst vor einer Unsterblichen? Wo Sie doch tagtäglich mit uns zu tun haben?“
„Es ist schon etwas eigenartig, einem Vampir am helllichten Tage gegenüber zu stehen.“
Er räusperte sich und bot Pettra seinen Arm, gemeinsam schritten sie Richtung Ausgangstor, wo Franklins Wagen wartete.
„Kannten Sie den Mann?“, fragte er und wies mit dem Kopf zu der Menschenmenge, die dicht gedrängt um das Grab stand.
„Nein. Aber ich finde Beerdigungen faszinierend. Und wenn jemand wie er beerdigt wird, sind so viele Leute anwesend, dass unmöglich jeder jeden kennen kann. Keiner wundert sich also über mich.“
„Ich muss schon sagen, etwas makaber, eine Beerdigung faszinierend zu finden. Menschen finden sie bedrückend und beängstigend.“
„Ich bin aber kein Mensch, Franklin. Ich bin, auch wenn ich bei Tageslicht draußen umhergehen kann, doch nicht viel anders als Melissa. Anders entstanden und mit anderen Fähigkeiten. Ich trinke auch kein Blut, sondern Lebensjahre. Aber trotz alledem bin auch ich ein Vampir.“
Für einen Moment dachte Franklin zu intensiv an Melissa, den Vampir Melissa, und vergaß dabei, seine Gedanken vor Pettra zu verbergen. Er bemerkte es erst, als sie stehen blieb und ihn ansah.
„Es tut mir leid“, sagte sie und wich respektvoll einen Schritt zurück.
„Was tut Ihnen leid?“
„Ich wollte wirklich nicht in Ihre Gedanken eindringen.“
Er wusste, was sie dort gesehen hatte. Woran er für Sekundenbruchteile gedacht hatte.
„Es ist schlimm für Sie, nicht wahr?“ Sie klang mitfühlend.
„Nun, sie ist meine Tochter. Ich kann mir nicht vergeben, dass ich ständig darüber nachdenke wie es wohl wäre, wenn ...“ Er brach ab.
„Das ist Auslegungssache, Mr. Smithers. Sie war Ihre Tochter, als sie noch sterblich war. Jetzt ist sie Armands Kind und ein Vampir. Ein Teil von ihr mag noch immer Ihre Tochter sein, aber genaugenommen ist sie das nicht mehr. Für sie gelten nun andere Regeln, an die sie sich halten muss.“
Er nickte. Natürlich wusste er das. Aber wenn er sie ansah, dann konnte er nichts anderes sehen als seine Melissa. Die er zum zweiten Mal in seinem Leben verloren hatte.
„Ich soll Sie heute Abend zu Armands Wohnung bringen. Und ich soll Ihnen sagen, dass ein Vampir namens Dracon für die blutigen Flüsse verantwortlich ist.“ Franklin sog scharf die Luft ein. Doch Pettra sprach unberührt weiter. „Es hängt mit Melissas Missgeschick zusammen, von dem sie Ihnen erzählen wollte, als Sie sie nach Peru geschickt haben. Aber da hatten Sie keine Zeit, es sich anzuhören.“ Der leise Vorwurf in den Worten der Daywalkerin war nicht zu überhören. „Sehen Sie, Mel hat mein Blut untersucht, um herauszufinden, ob mein Vater ein Mensch oder ein Vampir war.“ Franklin nickte. Es war der Grund, für den Besuch in New York gewesen. „Na ja, wie soll ich es sagen. Bei unserem Experiment ist etwas geschehen. Unser Blut hat sich vermischt. Und dabei haben wir festgestellt, dass ein Serum aus meinem Blut die Nightflyer vor den Strahlen der Sonne schützt.“ Bei Pettras nächsten Worten spürte Franklin, wie jegliche Farbe aus seinen Zügen wich. „Einige Ampullen des Serums befinden sich nun in Dracons Händen.“
Die Engel der Nacht
Lucien hatte sich ohne Umschweife bereit erklärt, mich zu begleiten. Auch Armand hatte alles stehen und liegen lassen, als ich ihm den Sachverhalt in kurzen Worten schilderte. Vorsorglich hatte ich Eleonora meinen Pflichtbesuch abgestattet und sie darüber informiert, dass Armand und ich heute Abend Gäste haben würden. So bestand keine Gefahr, dass sie von Neugierde und Wiedersehensfreude getrieben, überraschend in der Tür stand, während ich mit drei Vampiren und meinem Vater Kriegsrat hielt. Sie hatte mich mit Umarmungen und Küssen überschüttet und mich fast eine Stunde bei Tee und Plätzchen auf ihrem Sofa festgehalten. Dafür war ihr Wissensdurst nun ausreichend gestillt und wir hatten keine Störungen zu befürchten.
Jetzt saßen Lucien, Armand und ich im Wohnzimmer, wo wir auf Pettra und meinen Vater warteten. Scaramouche – Armands schwarzer Kater – hatte es sich im Schoß seines Freundes bequem gemacht. Ab und an sah man seine Augen gelb aufleuchten, wenn er durch schmale Schlitze Lucien einen
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