Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
meine, als auch die Aufmerksamkeit des Engels auf sich. Pettra trat mit zögerlichen Schritten in die Höhle. Unsicher blickte sie sich um.
„Die Spur führt ...“
„... hierher, ich weiß“, beendete ich ihren Satz. „Unser Dieb war hier, doch jetzt ist er fort. Er kam, um das hier zu tun.“ Ich machte einen Schritt zur Seite und deutete auf den Engel. Mit einem erschrockenen Laut hielt Pettra den Atem an. „Ich habe davon geträumt“, gestand ich. „Von Engeln, die Blut weinen. Von einer Finsternis, der niemand entrinnen kann. Große Göttin, wenn dieser Traum tatsächlich wahr wird.“
Aber Pettra hörte mir kaum zu. Fasziniert näherte sie sich dem weinenden Engel und berührte ehrfürchtig einen seiner goldenen Flügel. „Dann gibt es also doch einen Himmel? Und einen Gott?“
Der Engel blickte ein wenig überrascht ob dieser Frage. Doch dann schüttelte er langsam den Kopf. „Ich weiß nichts vom Himmel. Oder einem Gott. Oder einer Göttin. Wir sind die Engel der Meere. Mit unseren Tränen nähren wir die Welt. Denn sie sind das Wasser des Lebens. So steht es geschrieben seit ewiger Zeit. Und so wird es immer sein.“
Pettra wusste nichts darauf zu sagen. Ebenso wenig wie ich. Wortlos zog sich der Engel zurück. Ich schaute ihm nach, wie er tiefer in der Höhle verschwand. In seine ‚Krypta’ wie er gesagt hatte. Ich bemühte mich um Fassung und einen klaren Gedanken.
„Pettra, ich muss dich schon wieder um einen Gefallen bitten.“
„Aber ja. Was kann ich tun?“
„Ich kenne unseren Dieb. Besser, als mir lieb ist. Sein Name ist Dracon und ich kann nicht grade behaupten, dass ich mich gefreut habe, ihn wiederzusehen. Aber dir das zu erklären, dauert jetzt zu lange. Ich werde nach Miami reisen. Zu Lucien. Er ist Dracons Dunkler Vater. Außerdem muss ich Franklin informieren. Wir werden gemeinsam nach einer Lösung suchen, wie wir Dracon aufhalten können. Aber ich weiß zuwenig über ihn. Deshalb brauche ich Lucien. Und ich weiß zuwenig über die Engel. Deshalb muss Franklin kommen. Außerdem muss ich ihm sagen, dass ich schuld daran bin. Und das kann ich unmöglich am Telefon tun. Deshalb werde ich ihn lediglich bitten, nach New Orleans zu kommen. Könntest du dich wohl morgen Nachmittag dort mit ihm treffen und ihn nach Sonnenuntergang in Armands Wohnung bringen? Mein Schatz wird auch dort sein. Ich bin sicher, wenn ich ihm sage, was passiert ist, überlässt er Henry die Geschäftsangelegenheit und kommt sofort. Die Adresse schreibe ich dir auf.“
Während ich Stift und Zettel aus meinem Ashera-Mantel kramte, fragte Pettra: „Warum treffen wir uns nicht in eurem Mutterhaus in New York?“
Ich schaute sie überrascht an. Aber natürlich konnte sie nicht verstehen, warum diese Frage völlig absurd war.
„Lucien würde dem nicht zustimmen. Ich kann nicht von meinem Lord verlangen, in eines der Ordenshäuser zu gehen. Das wäre in seinen Augen Feindesland. Armands Wohnung ist neutraler Boden für ihn. Dorthin wird er mich begleiten.“
*
Sie kam auf dem Friedhof auf Franklin zu. Eine hochgewachsene Frau, ganz in schwarz, gefolgt von einem grauen Timberwolf. Franklin schluckte. Dies also war Pettra. Die Frau die ihn über den aktuellen Stand der Dinge in Kenntnis setzen und abends zu Mel begleiten würde. Die neue Freundin seiner Tochter und ein Vascazyr-Mischling. Man sah ihr an, dass sie anders war. Sie bewegte sich sicherer, stolzer und aufmerksamer zwischen den Gräbern als es Menschen tun würden, nahm die feinen Schwingungen der Seelen wahr, die an diesem Ort umherirrten. Eine kühle Eleganz umgab sie. Für jeden Außenstehenden musste es so aussehen, als gehöre sie zu der Trauergemeinde, die gerade an der Beisetzung eines Ehrenmitgliedes der Stadt teilnahm. Drüben, am anderen Ende des Friedhofes. Sie kam aus dieser Richtung. Von dem offenen Grab, an dem der Pastor seine Rede hielt. Sie trug noch eine einzelne rote Rose in der Hand, die sie aus dem Strauß gezogen hatte, bevor sie ihn auf den Sarg legte, als sei der Verstorbene ein naher Verwandter oder guter Freund gewesen. Ihr Etuikleid war schlicht, eine schwarze Sonnenbrille schützte ihre Augen. Ihr langes, rotschwarzes Haar floss offen um ihre Schultern, wurde von einem modischen Hut mit Netzschleier bedeckt. Direkt vor Franklin blieb sie stehen. Der Wolf setzte sich und beobachtete ihn aufmerksam.
„Sie müssen Franklin Smithers sein“, sagte sie höflich und hielt ihm eine behandschuhte Hand hin. Als sie
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