Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
von dreißig Crawlern, die ergeben vor ihm knieten und ihre Gesichter zu Boden gewandt hatten, auch wenn noch immer angsterfülltes Fauchen aus ihren Reihen erklang. Mit dem Stehkragen-Umhang, innen rot und außen schwarz, erinnerte er mich an Christopher Lee in seinen besten Dracula-Zeiten. Fast schon grotesk. Er hatte eine unbeschreibliche Aura, die auch mich in Bann zog. Als Armand seine Hand auf meine Schulter legte, erschrak ich derart, dass ich einen Aufschrei gerade noch unterdrücken konnte, indem ich mir die Hand auf den Mund presste.
„Verstehst du, was er sagt?“, fragte mich Armand auf dem Gedankenweg, um unsere Anwesenheit nicht zu verraten.
Mir war gar nicht aufgefallen, dass der Crawler-Fürst sprach. Ich hatte mich von seinen gelben Augen ebenso einfangen lassen, wie seine Dunklen Nachkommen. Angestrengt lauschte ich jetzt auf den Klang seiner Stimme, die nicht minder hypnotisch war, wie seine Iris. Aber die Worte verstand ich nicht. Ich kannte das Klangmuster, und einige wenige Begriffe lösten zumindest Assoziationen in mir aus, aus meiner Studienzeit in Glasgow, wo ich Archäologie und Historie belegt hatte.
„Er spricht Babylonisch. Einen sehr alten Dialekt. Ich habe solche Worte nur ein- oder zweimal in meiner Studienzeit gehört, als unser Prof. uns ein altbabylonisches Schriftstück vorstellte. Selbst Experten waren an der Übersetzung gescheitert und hatten nur ein paar Worte, die auch im späteren Babylonischen noch verwendet wurden, entziffern können. Dass jemand diese Sprache heutzutage beherrscht, ist fast unvorstellbar.“
Noch unvorstellbarer war das, wovon wir Sekunden später Zeuge wurden. Als der Fürst seine Hände hob und die Worte, die wie ein Gebet über seine Lippen rollten, immer lauter intonierte, begann Rauch zwischen seinen Gefolgsleuten aufzusteigen. Auch wir spürten die Erwärmung in der Erde, wenngleich abgeschwächt, da wir hinter dem Felsen in Sicherheit waren.
Für die Crawler in der Höhle gab es diese Sicherheit nicht. Ihre Körper zitterten, wimmernde Zisch- und Fauchlaute waren zu vernehmen. Doch sie schienen nicht fähig, sich zu erheben und vor der Macht ihres Fürsten zu fliehen. Der Qualm verdichtete sich immer mehr. Die ersten Flammen züngelten aus den schmutzigen, schwarzen Lumpen der noch immer knienden Geschöpfe. Das ganze Bild hatte etwas von einem Sektenführer, der seine Anhänger auf Geheiß einer höheren Macht in den Tod befiehlt. Unheimlich und grauenvoll.
Plötzlich gab es einen lauten Knall, gefolgt von einem derart grellen Licht, dass wir diesmal beide einen Schrei nicht unterdrücken konnten, als wir schmerzhaft geblendet und von der Wucht einer großen Druckwelle hinter unserem vermeintlich sicheren Schutzfelsen erfasst wurden, die uns mehrere Meter in den Gang zurück warf.
Betäubt blieben wir liegen. Ich kam vor Armand wieder zu Bewusstsein. Da stand der Crawlerfürst bereits bedrohlich über mir. Angst lähmte meine Glieder.
„So sieht man sich wieder“, sagte er in meiner Sprache. „Und wie verändert du bist. Aber das hatte ich erwartet, nachdem er dich so vehement verteidigt hat. Habe ich nicht bereits damals gesagt, dass ich mich um die Abtrünnigen meiner Brut selbst kümmere? Ihr habt hier nichts verloren.“
Er beugte sich vor und ich sprang instinktiv auf die Beine, bereit zur Flucht. Allerdings war selbige unwahrscheinlich, da ich nicht die Absicht hatte, Armand, der noch immer reglos am Boden lag, in der Gewalt des Gegners zurück zu lassen.
Es funkelte gefährlich in den Augen des Crawlers, doch noch griff er nicht an. Argwöhnisch blickte ich auf seine Hand, erkannte den Dämonenring wieder, aus dem sich beim letzten Mal rote Rauchfäden gelöst und wie eine hauchfeine Schlinge meine Kehle zugeschnürt hatten. Heute leuchteten die Runen zwar lediglich rot, aber das konnte sich sicher sehr schnell ändern. Ob wir wohl eine Chance hatten, hier mit heiler Haut rauszukommen, wenn wir ihn ebenfalls nicht angriffen?
Auch Armand erlangte das Bewusstsein wieder und seine Vampirinstinkte funktionierten wesentlich schneller als die meinen. In einer einzigen Bewegung war er auf den Füßen und seine Hand an der Kehle unseres Gegenübers.
„Armand, nicht“, rief ich noch, doch es war schon zu spät.
Der Crawler fletschte die Zähne und holte zu einem Schlag aus, der Armand hart an der Felswand aufschlagen ließ. Ich hörte Knochen brechen, ein grauenhaftes Geräusch, wie splitterndes Holz und berstendes Glas. Sein
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