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Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)

Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)

Titel: Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya Carpenter
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folgen müssen.
    *
     
    Der Jahreswechsel war ohne die befürchteten Katastrophen vorüber gegangen. Kein Stromausfall, kein Holocaust, die Welt drehte sich unverändert weiter. An einigen Orten der Welt, war der erste Tag des neuen Jahrtausends schon fast wieder vergangen. Für uns war er gerade erst wenige Stunden alt.
    Ich hatte die Zeit zwischen Weihnachten und Silvester genutzt, um meine Lebensgeschichte aufzuschreiben. Aber nicht aus Angst vor dem Untergang der Welt und dass ich dann keine Möglichkeit mehr dazu hätte. Ich wollte das Geschehene nur ein für allemal hinter mir lassen. Es war ein gutes Gefühl gewesen, alles noch einmal mit dem nötigen Abstand zu durchleben. Jetzt wollte ich nicht mehr weiter darüber nachdenken.
    Armand und ich lagen Seite an Seite in unserer Gruft. Eng aneinander geschmiegt, gewärmt vom Blut eines Obdachlosen, warteten wir auf den ersten Sonnenaufgang des 21. Jahrhunderts, der uns den Todesschlaf brachte, bis uns der Mond in der folgenden Nacht wieder wecken würde. Und genau in diesem Moment hörte ich die mir so vertraute Stimme ganz tief in meinem Herzen, die meinen Namen rief, mich fortlockte, süß und verheißungsvoll. Ein Beben durchlief meinen Körper. Ich musste dieser Stimme folgen, es gab keinen Zweifel.
    „Armand?“, flüsterte ich leise, schon halb benommen von der trägen Müdigkeit. Wie sollte ich ihm sagen, was in mir vorging? Ihm diese Unruhe erklären, deren Ursache mir nur allzu bewusst war?
    „Ja, mon coeur?“, antwortete er, mit seinem Mund auf meinem Haar.
    „Morgen bei Einbruch der Dämmerung werde ich mit der Darkzone reisen.“ Der direkte Weg war immer der beste. Er antwortete nicht.
    „Ich gehe zu Lucien.“
    Noch immer Schweigen. Sein Herz schlug langsam und kraftvoll, aber ich konnte den Schmerz darin fühlen, in jedem einzelnen Schlag. Schließlich flüsterte er matt.
    „Il t’appelle. Er ruft dich, nicht wahr? Er hat dich an sich gebunden, mit seinem Blut. So wie mich. So wie uns alle.“
    Seine Lippen streiften meine Stirn. Ich konnte seine Angst spüren. Angst, mich zu verlieren. An denselben Meister, dem er einst hörig war. Seine Verzweiflung, dass ich mich dem mächtigen Lord auslieferte, war unendlich groß.
    „Ne me quitte pas! Verlass mich nicht“, bat er, wohl wissend, dass seine Bitte vergeblich war.
    Ich hob den Kopf, küsste ihn auf den Mund. Lange, sanft. „Ich muss“, sagte ich dann. Es war die reine Wahrheit. Ich hatte gar keine Wahl. Seit Luciens Ruf mich erreicht hatte, wurde die Unruhe in mir mit jeder verstreichenden Sekunde unerträglicher. Nur er konnte sie stillen. „Aber ich komme bald zurück.“
    Ich verließ Armand in der folgenden Nacht. Folgte dem Ruf meines Lords. Ich liebte Lucien. Schon im Augenblick meiner Wandlung war mir dies so klar geworden wie nichts sonst. Dass ich Armand verraten, unsere Liebe beschmutzt hatte. Dass ich Lucien begehrte und entschieden hatte, dass er mein Lehrer sein sollte und nicht mein Dunkler Vater. Er würde mich stark genug machen für die Ewigkeit. Armand mochte mich erschaffen haben. Doch von Anfang an – lange bevor ich mich für die Wandlung entschied – hatte das Schicksal bestimmt, dass ich Lucien gehören würde. Er hatte es gewusst, geschwiegen und seine Zeit abgewartet. Weil nichts auf der Welt an dieser Tatsache etwas ändern konnte. Für ihn gab es keine Eile. Er hatte mit mir geschlafen, hatte mich sein Blut kosten lassen, als ich noch sterblich war, mit der einzigen Absicht, den Pakt zu besiegeln.
    Ich würde nie aufhören, Armand zu lieben, und diese Liebe ging viel tiefer als das, was ich für den Lord empfand. Dennoch trug ich auch sein Mal auf meiner Seele und sehnte mich mit meinem ganzen Sein nach ihm.
    Die Burg war still und scheinbar verlassen, als ich ankam. Nichts, was auf Luciens sterbliche Diener hingewiesen hätte. Heute Nacht war der Lord allein.
    Er erwartete mich bereits. Räkelte sich entspannt auf seinem Thron. Ein Bein lässig über der Armlehne baumelnd, das azurblaue Seidenhemd offen, so dass seine muskulöse Brust frei lag. Der Schimmer seiner goldenen Haut raubte mir für einen Moment den Atem. Er bemerkte es und lächelte verstohlen. Lucien war dämonisch schön. Seine dunkle Seele erfüllte den ganzen Raum, streichelte meine Sinne, bis sich die feinen Härchen auf meiner Haut aufstellten. Eine Aura von Macht und Weisheit – gefährlicher Macht und verschlagener Weisheit. Müßig drehte er den Spazierstock mit dem silbernen

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