Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
Schmerz war für mich körperlich spürbar. Doch statt gepeinigt zu Boden zu sinken, hielt er sich aufrecht und ließ sich nicht das Geringste anmerken.
„Rühr sie nicht an“, schleuderte er dem Dunklen unbeeindruckt von den erlittenen Verletzungen entgegen. Seine rauchgrauen Augen wurden dunkel wie Schiefer. Die angespannten Muskeln seines Körpers und die tiefen Linien in seinem Gesicht verrieten, dass er Schmerzen haben musste. Dennoch verbarg er die Schwäche vor unserem Gegner gekonnt.
„Ein Hitzkopf! Muss unbedingt den Helden spielen.“ Ich sah wie der Ring zu glühen begann. „Wollt ihr auf Teufel komm raus sterben, indem ihr mich attackiert?“
Ein Schwall von babylonischen Worten ließ eine wabernde schwarze Wolke zwischen seinen Händen entstehen. Ich wollte lieber nicht wissen, zu was die gut war. Himmel, wie sollten wir hier wieder rauskommen?
Doch auch Armand hatte noch ein paar Überraschungen auf Lager, die mir wieder einmal verdeutlichten, wie wenig ich noch über das, was ich jetzt war, wusste. Aus dem Nichts erschien ein riesiger Schwarm Fledermäuse, die sich auf den Dunklen Fürsten stürzten. Ihr schrilles Sonar erfüllte die Luft. Was hätte ich in diesem Moment darum gegeben, noch menschlich zu sein und diesen quälenden Ton nicht hören zu können.
„Cours, Melissa, cours! Lauf! Sie werden ihn nicht lange aufhalten.“
Armand stieß mich vor sich her in den Tunnel zurück. Aus den Augenwinkeln erhaschte ich noch einen Blick auf das blutigzerkratzte Gesicht des Vampirfürsten, der mit den aggressiven Tieren zu kämpfen hatte, und auf das mörderische Funkeln in seiner gelben Iris.
Der Nachthimmel über uns glich einer Erlösung. Wir waren entkommen. Armand keuchte schwer vor Schmerz, als wir vor dem Höhleneingang auf den Boden sanken.
„Denkst du, er folgt uns?“, fragte ich.
„Non, ich glaube nicht, dass er sich diese Mühe macht. Aber ich wollte es dort unten nicht auf einen Kampf mit ihm ankommen lassen.“
Sein schmerzverzerrtes Gesicht erinnerte mich wieder an seine Knochenbrüche. Besorgt krabbelte ich zu ihm und schob meine Hand unter seinen Pullover, um seinen Rücken abzutasten. Ich konnte die Splitter unter der Haut fühlen. Das rechte Schulterblatt bestand nur noch aus einzelnen Bröseln und die Wirbelsäule war an zwei Stellen zertrümmert. Ein Mensch wäre zumindest gelähmt, wenn nicht gar tot gewesen.
„Es geht schon, ma chére. Lass mich nur einen Moment still liegen und
Das Blut
seine Arbeit tun.“
Ich wusste, dass ein Trunk die Heilung beschleunigen würde. Darum überlegte ich gar nicht erst lange, sondern schnitt mein Handgelenk mit dem Daumennagel auf und hielt es an seine Lippen. Dankbar nahm er mein Angebot an.
Über uns grollte leiser Donner. Ich hob meinen Blick zum sternklaren Himmel und sah nichts als zwei glühende gelbe Punkte am nachtblauen Firmament.
„Kreuzt besser nie wieder meinen Weg“, erklang es warnend. „Sonst wird euch nichts mehr retten.“
„Ich muss noch mal in die Höhle“, sagte ich zu Armand, der immer noch auf dem Boden lag. Er drehte sich auf den Rücken, ungläubiges Entsetzen im Blick.
„Mel, er wird dich töten.“
„Er ist fort. Dort gibt es nichts mehr, was ihn hält. Er hat getan, weswegen er hier war. Aber der Einsatz wäre umsonst, wenn ich nicht irgendwelche Daten mitbringen kann. Wenn du willst, kannst du hier warten.“
Das wollte er natürlich nicht. Die restliche Heilung konnte sein Körper auch vornehmen, während er mich wieder in die Tunnel begleitete. Allein würde ich keinen Fuß da hinein setzen, das stand für ihn fest.
In der Höhle brannte immer noch der Fackelkreis. Ich nahm eine Probe aus dem Zentrum, wo der Fürst gestanden hatte. Außerdem einige von den Aschehäufchen, obwohl ich mir sicher war, dass eine Analyse nur Faserreste der Kleidung ergeben würde, da von einem Crawler im Falle seines Todes nichts zurückblieb. Interessanter war da schon die Schrifttafel, die auf einem kleinen Altar an der hinteren Wand der Höhle stand. Offenbar hatte diese Gruppe zu dem Relikt gebetet, wie zu einem Heiligenbild. Es war aus Metall, vielleicht eine Silberlegierung, sehr sauber und stand in einem kleinen hölzernen Rahmen. Die Schrift war ebenfalls babylonisch. Die Worte Ring und Herrscher konnte ich entziffern. Ebenso ein weiteres Wort, das aus zwei Zeichen bestand, dem für Leben und dem für Blut. Lebensblut. Für alles weitere reichten meine beschränkten archäologischen Kenntnisse nicht
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