Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
aus. Es war eben babylonisch und nicht ägyptisch.
„Spencer Reed wird damit vielleicht mehr anfangen können.“ Er war Experte für babylonische Geschichte und Kultur. Connor konnte die Tafel nach der Registrierung im Mutterhaus nach Boston zu Spencer weiterleiten. Er würde Franklin dann die Informationen zukommen lassen, die aus der Analyse hervor gingen.
Armand stand nachdenklich vor der Ansammlung von Aschehäufchen.
„Was ist? Was hast du?“
„Bizarre. Sehr seltsam. Crawler leben immer in Fünfergruppen zusammen. Diese hier zählte aber dreißig Mitglieder.“
„Vielleicht waren es mehrere Gruppen und er hat sie selbst hierher gerufen, um sie zu vernichten.“
Nicht nur Armand hielt diesen Gedanken für abwegig. Aber da ich im Augenblick keine weitere Erklärung fand, begnügte ich mich damit. Er hingegen grübelte auch während unserer gesamten Heimreise noch darüber nach.
Der Ruf des Lords
Er stand auf der Spitze seines Turmes und blickte zum Mond hinauf. Das dunkle Himmelszelt ein Spiegel seiner Augen. Erfüllt von funkelnden Sternen. Sein Haar wie ein unheilvoller schwarzer Schleier im Wind. Die glatte, goldfarbene Haut schimmernd im fahlen Mondlicht. Er lächelte. Armand hatte es tatsächlich getan. Lucien spürte in seinem Blut, dass die kleine Füchsin nun eine Bluttrinkerin war.
Er hatte ihr so viel von seinem eigenen Dunklen Nektar gegeben, wie er gerade eben verantworten konnte, ohne sie selbst zu verwandeln. Eine Gratwanderung. Als er sie in den Nebelschlaf versetzt hatte, war sie kurz davor gewesen, die Grenze zu überschreiten. Doch es war wichtig gewesen, dass Armand die Wandlung an ihr vollzog. Dass Melissa von seinem Blut blieb.
Natürlich hatte ein Risiko darin gelegen, dass er das Mädchen so fest an sich band. Armand hätte sie zurückweisen können, wenn er das Blut des Lords in ihr spürte. Aus Eifersucht. Oder enttäuschter Liebe. Oder gar Ehrfurcht. Aber Lucien hatte darauf gebaut, dass seine Liebe stärker war als der Schmerz über ihren Verrat oder der angstvolle Respekt vor einem Ältesten. Er hatte recht behalten. Nun waren sie Vater und Tochter, ebenso wie sie Geliebte waren. Und Armand hatte nicht die leiseste Ahnung, was er damit in Gang gebracht hatte.
Gut so, dachte Lucien. Es lief alles nach Plan. Er hatte gewusst, dass sie irgendwann aus Armands Linie geboren werden würde. Dass sich die Mühe lohnte, Armands Familie im Auge zu behalten und ihn zur rechten Zeit zu ihr zurückzuführen. Als er Melissa dann in Venedig gesehen hatte, war auch der letzte Zweifel einer absoluten Sicherheit gewichen. Sie war es. Sie würde diejenige sein. Und jetzt gehörte sie ihm.
Eine glückliche Fügung des Schicksals, dass Dracon versucht hatte, sie zu töten. Und dass ausgerechnet Lemain die fragwürdige Ehre zuteil wurde, ihr das Leben zu retten. Lemain – der Einzige, der sie mit absoluter Sicherheit zu ihm gebracht hatte. Der Einzige, der ihm noch immer blind vertraute. Manchmal waren die Götter tatsächlich gerecht. Er hatte sich seit Venedig den Kopf zerbrochen, wie er an sie herankommen sollte. Bis Lemain sie als Halbwesen in seine Burg gebracht und damit alle Hindernisse wie von selbst aus dem Weg geschafft hatte. Der Rest war so einfach gewesen.
Langsam stieß Lucien den Atem aus, ließ mit ihm auch seine Gedanken strömen. Sein Atem wurde zum Wind. Ein Wind, der jedes seiner Worte in ihre Seele trug, in seiner fremden Sprache, die ihr Herz verstehen würde.
„
Hai tasmahini
. Höre mich, Melissa. Höre mich in deinem süßen Todesschlaf.
Ana montazerake. Taahli elaia, thalabi. Taahlu elaia wa kone melki
. Ich warte auf dich. Komm zu mir. Komm zu mir und sei mein.“
Schmeichelnd, lockend war seine Stimme. Wie sanfte, zärtliche Finger aus ätherischem Nebel, der sich um Melissas Seele legte, sie mit Sehnsucht erfüllte. Der ihr Innerstes berührte, streichelnd und kosend, bis sie nicht mehr anders konnte, als dem Ruf zu folgen. Es war so leicht gewesen, sie zu manipulieren, alle beide. Weil Armand und Melissa ihre Gefühle nicht verbergen konnten. Eine Schwäche, die in der Familie lag. Er hatte sich ihre Ängste und Zweifel zunutze gemacht. Sie geschürt, bis nur noch ein Ausweg blieb, um all diesen Ängsten zu entfliehen. Sicherheit beieinander zu finden, indem sie beide ihr Blut gaben. Wie ein Opfer, wie eine Gunst. Die sie einzig und allein einander gewährten. Als die Zeit reif war, hatte er ihnen genau diesen Weg gezeigt. Sie hatten ihm nur noch
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