Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
Sorge, Franklin. Es weiß niemand über die Hintergründe bescheid. Und das Treffen gestern Abend habe ich selbst beobachtet. Ich war zufällig im selben Restaurant. Es war keine Beschattung.“
Franklin nickte fahrig.
„Ich nehme an, du wirst ihn bald aufsuchen wollen.“
Als sie keine Antwort erhielt, legte sie mitfühlend die Hand auf Franklins Schulter. „Es tut mir sehr leid für dich. So etwas ist in unseren Reihen bisher nicht vorgekommen. Ich kann mir gut vorstellen, wie schwer es für dich ist, dass deine Tochter nun zu ihnen gehört.“
Franklin nahm seine Brille ab und rieb sich die schmerzende Stelle zwischen seinen Augen. Dass Mel ihm Kopfweh bereitete, war ja nichts Neues. Aber diesmal …
„Ich möchte einfach nur wissen, wo sie ist. Ich habe meine Tochter schon zweimal verloren und hatte jedes Mal das Glück, sie wiederzubekommen. Doch ich fürchte mich davor, dass sie irgendwann nicht mehr zurückkommt.“
*
Luciens Vernissage fand in der kommenden Woche am Donnerstag statt. In seiner Galerie, einem dreistöckigen Gebäude, das eigens dafür nach seinen Plänen gebaut worden war und nicht nur seine Werke beherbergte. Das Ganze wirkte fast schon wie ein Kunstmuseum für moderne Malerei und Bildhauerei. Ich staunte nicht schlecht, da ich bislang nicht gewusst hatte, dass er so offen als Künstler agierte, sogar eine kleine Agentur nebenbei betrieb, die andere junge Künstler unter Vertrag nahm und förderte. Das Büro befand sich in einem Nebenraum der Galerie. Der Empfang der Vernissage fand im großen Foyer statt, mit Champagner und Häppchen, alles unter dem Blitzlichtgewitter der örtlichen Presse und einiger Kunstmagazine.
Ich verweilte mit stoischer Ruhe an seiner Seite, gekleidet in dunkelgrünen Samt. Er hatte das bodenlange Kleid extra für diesen Anlass schneidern lassen. Ebenso wie seinen schneeweißen Jersey-Anzug. Zusammen mit dem Pferdeschwanz und den weißen Lackschuhen sah er einem Drogenbaron ähnlicher als einem Künstler. Aber ich verzichtete darauf, das zu sagen, begrüßte stattdessen seine Gäste mit einem aufgesetzten Lächeln, ließ mich als die zukünftige Mrs. Memphis feiern und alles mehr oder weniger teilnahmslos an mir vorüberziehen. Er hasste mich dafür. Doch so wie mir keine Wahl blieb, blieb auch ihm keine. Wir machten beide gute Miene zum bösen Spiel.
„Du könntest wenigstens so tun, als hättest du Freude an diesem Abend“, zischte er, während er gleichzeitig mit einem halbvollen Champagnerglas einem Geschäftsfreund zuprostete, der schon mehrere seiner Bilder gekauft hatte.
„Das tue ich doch“, gab ich ebenso gereizt zurück. „Ich habe schon einen Krampf im Gesicht vor lauter lächeln.“
Sein Griff um meine Taille wurde schmerzhaft. Scheinbar liebevoll und vertraut, drückte er mir einen Kuss auf die Schläfe. „Glaube nur nicht, dass du all dem entkommen könntest,
djamila
. Diese Chance hast du vertan, als du deinem Liebsten in die Katakomben gefolgt bist. Und ohne mich hast du nicht die geringste Chance das zu überstehen, was dich erwartet, wenn der Dämon in dir erst an Kraft gewinnt. Du würdest sterben mitsamt deiner wundervollen menschlichen Seele.“
Das reichte. Angst und Verzweiflung hatten ein ganz ähnliches Gesicht wie Wut. Ich riss mich von ihm los und musste mich beherrschen, ihn nicht mit gefletschten Vampirzähnen anzufauchen. Stattdessen schleuderte ich ihm den Inhalt meines Champagnerkelches ins Gesicht, warf selbigen dann auf den Boden, wo er klirrend in tausend Scherben zersprang und rannte die vier Stufen der Empore hinunter. Alle Blicke waren schockiert auf mich gerichtet, doch das kümmerte mich wenig. Sollten sie doch denken, was sie wollten. Sollte er doch denken, was er wollte. Ich hatte keine Lust, sein Püppchen zu sein, das vor ihm kuschte. Er hatte die Macht, mich zu töten? Gut, dann sollte er es endlich tun. Denn ich ertrug nicht, was er mir beständig vor Augen führte. Ehe ich so werden würde wie er, wollte ich lieber sterben.
Ich floh hinaus in die Nacht. Zurück zur Isle of Dark, wo ich die Ankunft eines sehr verärgerten Lords erwartete.
Er fand mich mit einem Tarot in der Hand in einer Ecke des Raumes sitzen. Mit abfälligem Gesichtsausdruck beobachtete er, wie eine Karte nach der anderen von dem Stapel zwischen meine Finger glitt, ehe ich sie gleichgültig wegschnippte. Ich murmelte die Bilder und ihre Bedeutung wie Beschwörungsformeln, ohne hinzusehen. Dennoch wusste ich stets, welche Karte
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