Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
schon beinah in den Wahnsinn getrieben mit seinen Tränen und seiner gelebten Verzweiflung.“
„Bemühst du dich deshalb so sehr darum, das bei mir auszulöschen? Weil du es bei ihm nicht geschafft hast? Der Vampir mit der menschlichen Seele. Armand hatte sie wegen Madeleine. Und vielleicht hat er sie ja an mich weitergegeben, als er mich erschuf.“
Lucien lachte höhnisch und blickte mich mit kalt blitzenden Augen an.
„Er hat dich nicht erschaffen, Melissa. Glaub das nur nicht. Er hat deine Umwandlung zum Abschluss gebracht. Aber erschaffen haben dich andere. Und das weißt du auch. Dracon! Lemain!“ Jeder dieser Namen war ein Schnitt in mein Fleisch. Eine Wunde, die nie heilen würde. „Und ich. Wir sind deine wahren Väter der Dunkelheit. Das solltest du nie vergessen.“
Er stieß mich von sich und verschwand mit wehenden Haaren in die Richtung aus der er gekommen war. Wimmernd sank ich an der Mauer herab, kauerte mich zusammen und weinte hemmungslos. Wie sollte ich das überstehen? Für Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte?
Als ich Stunden später in den Raum zurückkehrte, war von Joey nichts mehr zu sehen. Lucien stand am Fenster und blickte hinaus auf seinen tropischen Garten und das Meer. Zitternd trat ich näher, von einem unguten Gefühl begleitet.
„Wo … wo ist er? Ich hab den Helikopter noch nicht gehört. Ist die Leiche noch hier?“
Luciens Gesicht war kalt und gefühllos. Die glatten blauen Tiefen seiner Augen spiegelten nicht das Geringste wieder. Er deutete mit dem Kinn in Richtung der Felsengruppe, unterhalb der Burgmauer. Dort, wo der Wald endete. Der Lieblingsplatz seiner Raubkatzen. Hier aalten sie sich am Tag oft in der Sonne. Und nachts kamen sie, um auf ihren Herrn zu warten.
Die beiden Weibchen lagen mit dicken Bäuchen auf der Plattform und leckten sich gegenseitig die Gesichter sauber. Ich musste würgen, klammerte mich an dem steinernen Fenstersims fest und wendete den Blick ab.
„Dachtest du, ich lasse ihn beerdigen? Oder bringe ihn seinen Eltern zurück?“ Beißender Spott schlug mir in einer eisigen Woge entgegen.
„Sie werden sich ewig fragen, was aus ihm geworden ist.“
„Das ist nicht mein Problem. Aber wenn du ihnen das ersparen willst, dann geh doch hin und erlöse sie von ihren Zweifeln. Sie werden sich sicher freuen, wieder mit ihm vereint zu sein. In ihrem himmlischen Reich.“
Er spie die Worte förmlich aus, so wütend und enttäuscht war er, dass wieder einmal mein Gewissen über den Dämon in mir gesiegt hatte. Er meinte es tatsächlich ernst. Ich sollte die Eltern töten, wenn mir soviel daran lag, ihnen Leid zu ersparen. Ihm war das völlig gleichgültig.
„Große Göttin“, entfuhr es mir. Ich schloss angewidert die Augen.
„Deine Göttin“, wies er mich scharf zurecht, „hilft dir ebenso wenig, wie ihm sein Gott geholfen hat.“
Ich schaute ihn mit Tränen in den Augen an. Erkannte ihn kaum wieder, meinen Lord, meinen Führer. Konnte ich mich wirklich einem solchen Geschöpf anvertrauen? Mich ihm auf Gedeih und Verderb ausliefern, in der Hoffnung, nicht zugrunde zu gehen, wegen dem, was ich jetzt war? Aber die Entscheidung war längst gefallen, ich konnte nicht mehr einfach gehen. Armand hatte immer so ehrfürchtig von ihm gesprochen. Doch es schien nicht derselbe Lucien gewesen zu sein, der jetzt vor mir stand. „Wie kannst du so etwas nur tun? Wie kannst du nur so reden?“
Er zeigte kein Mitleid, keine Reue. Was er sagte, war eine simple Tatsache, die ich nicht akzeptieren wollte. Aber er würde nicht nachgeben, ehe ich gelernt hatte, was es hieß, ein Vampir zu sein. Dabei war Rücksichtnahme nicht angebracht. Doch ich wollte mich genauso wenig beugen.
„Was gibt uns das Recht, Menschen zu behandeln, als wären wir etwas Besseres?“, wagte ich zu fragen. „Du tust gerade so, als wären wir allmächtig.“
„
Yagib an afaal zalek
? So tun?“, fragte er mit funkelnden Augen. Offenkundig fassungslos. „Du glaubst allen ernstes, ich – tue – nur – so?“
Ich wich zurück. Er machte mir Angst. Alles an ihm war mit einem Mal bedrohlich. Er wirkte noch größer, als er ohnehin schon war. Ein Fleisch gewordener Höllenfürst, dessen Wut mir in einer glühendheißen Woge entgegenschlug, ob meiner Kleingläubigkeit, meiner Zweifel an seiner Macht.
„Du weißt gar nichts“, zischte er. Seine Finger schlossen sich grob um mein Handgelenk. Ich hatte keine Chance zurückzuweichen. Schmerz durchzuckte meinen Arm, als der Knochen
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