Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
stellte sie beiseite. Dann ergriff er mein Handgelenk und zog mich zu sich und dem unerfahrenen jungen Mann aufs Bett.
„Er ist unschuldig. Süßeres Blut wirst du nie finden“, raunte er lockend in mein Ohr. Mein Atem ging in kurzen heftigen Stößen. Zerrissen zwischen Verlangen und Ekel wusste ich nicht, was ich tun sollte. Joey berührte mich wieder. Ich wich erschrocken zurück, doch da war Lucien, der meine Arme packte und mich festhielt.
„Scht“, hörte ich in meinem Haar. „Lass ihn. Ergib dich deinem Verlangen. Er wird es gut machen, dafür werde ich schon sorgen.“ Ich konnte sein boshaftes Lächeln vor meinem geistigen Auge sehen. Sein Griff wurde lockerer, aber ließ mich nicht los. „Du musst nicht bei ihm liegen. Aber trink von ihm. Koste seine Unschuld.“
Joeys Lippen umschlossen eine Knospe und saugten zart daran. Sein Duft raubte mir schier den Verstand. Ich spürte, wie meine Fänge hervortraten, strich mit der Zunge darüber und schmeckte Blut. Sein Blut würde viel besser sein. Das wusste ich instinktiv. Viel süßer.
„Was tust du mir an?“, stöhnte ich heiser. Tränen quollen unter meinen geschlossenen Lidern hervor, die Lucien gierig aufleckte, ehe sein Opfer sie sah.
Nein, ich konnte das einfach nicht. Der Vampir in mir schrie nach seinem Blut. Schrie nach seinem jungen Körper. Aber ich wollte nicht so tief sinken. Ich war nicht Luciens Marionette, die er nach Belieben zu seinen Perversionen tanzen ließ. Ohne Rücksicht auf Joey oder was er denken mochte, als ich mich praktisch vor seinen Augen in Luft auflöste, riss ich mich los und floh aus dem Zimmer. Ich hörte Luciens wüsten Fluch, hörte den Schrei des Jungen, als er seine Zähne in dessen Kehle schlug, um das makabre Spiel zu beenden. Kaum einen Atemzug später war er bei mir. Er packte mich so grob an den Schultern, dass die feinen Knochen knirschten und Risse bekamen. Ich schrie auf, aber mehr aus Verzweiflung als vor Schmerz.
„Wie lange willst du noch vor dir selbst davon laufen?“, herrschte er mich an. „Du kannst noch immer nicht töten, obwohl genau darin unser Lebensinhalt liegt. Wir sind Raubtiere, keine Schoßhündchen.“
„Warum sollte ich töten, wenn ich auch ohne Mord leben kann? Ich sehe keinen Sinn darin, grundlos ein Leben zu nehmen.“
„Stattdessen verweigerst du dich lieber weiter, bis du selbst daran zugrunde gehst. Du wolltest ihn. Wolltest sein Blut. Wolltest eins mit ihm sein. Das ist deine Natur. Und du kommst nicht dagegen an, egal wie verbittert du kämpfst. Ergib dich endlich dem Dämon, bevor er dich tötet.“
„Ich kann nicht. Ich kann einfach nicht. Und er war doch noch fast ein Kind.“
„Wo liegt der Unterschied? Sie sind alle nichts als Beute. Und Kitze sind nun mal seit jeher am begehrtesten, weil ihr Fleisch am zartesten, ihr Blut am süßesten ist. Man wählt immer die Schwachen aus der Herde,
thalabi
. So sind nun mal die Gesetze der Jagd.“
„Aber dir ging es noch um mehr, als nur sein Blut. Du wolltest, dass ich mit ihm schlafe. Wolltest ihn damit ködern, weil es sein sehnlichster Wunsch war, vor seinen Freunden nicht länger als Verlierer dazustehen. Hast du überhaupt keine Moral, dass du die Schwächen eines Menschen so skrupellos für deine Zwecke nutzt?“
„Ich brauche keine Moral,
thalabi
. Und du ebenso wenig. Sex benutzt man, um sich Sterbliche gefügig zu machen. Er war alt genug, um zu wissen, was er mit dir hätte tun können.“
„Er wusste nichts über die Liebe.“
„Um Liebe geht es nicht,
djamila
. Denn für Liebe ist kein Platz im Leben eines Vampirs.“
„Das ist gelogen. Armand liebt mich.“
Lucien schnaubte spöttisch. „Dein Armand“, erklärte er und beugte sich so weit zu mir herunter, dass seine seidigen Haare meine Wange streichelten, „liebt dich nicht. Er wird es so nennen. Und du auch. Aber das Einzige, was ihn an dich bindet, ist sein Blut. Sein sterbliches Blut. Und dass du die Wiedergeburt seiner wundervollen Madeleine bist. Eine Schwäche, die er nie losgeworden ist. Verwechsle so etwas nicht mit Liebe,
thalabi
.“
Seine Worte waren verletzend. Das sollten sie wohl auch sein. Weil ich ihn enttäuscht hatte. Ich wendete den Blick ab, weil ich schon wieder Tränen in meinen Augen fühlte. Trügerisch sanft umfasste er mein Kinn, zwang mich, ihn wieder anzusehen.
„Auch so eine Schwäche,
elby
. Tränen. Sie spülen dein Herz nicht mehr rein. Also spar sie dir. Ich will sie an dir nicht sehen. Armand hat mich
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