Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)
fand sich eine Karte und eine Geschichte über einen Jungen, der sich opferte und zum Diener der Nacht wurde für einen mächtigen Blutgott, dem er seither treu ergeben war.
„Anakahn und sein Sohn Arante. Letzterer ist der, den du suchst, denn sein Herz ist ohne Arg. Er kennt weder Lust noch Tod, trinkt nur von seinem Vater, nicht wissend, woher die Quelle stammt, aus der er ihn nährt. Unschuldiger wird keiner der unseren je sein.“
Damit drehte er uns wieder den Rücken zu. Als wir den Raum verlassen wollten, rief er mir noch nach.
„Sag ihm, dass ich es dir verraten habe.“
Ich zögerte kurz. „Warum?“
Er lachte. Ein raues, boshaftes, aber deutlich amüsiertes Lachen. „Weil er dann noch einen Grund mehr hat, mich zu hassen.“
„In den Tiefen der Sahara, verborgen vor der Menschen Augen, liegt des Blutgottes Tempel“, las ich die ersten Zeilen der Geschichte, während wir nach draußen gingen.
Die vielen Kreuze und Engelsstatuen verunsicherten mich, wusste ich doch, dass die Bewohner des Klosters alles andere als heilige Wesen waren. Doch der Glaube schien echt. Bei unserem Eintreffen hatte man uns an den Türen zum Altarraum vorbeigeführt, wo über dreißig Mönche in der Andacht versunken waren und den Worten eines schwarzgewandeten Priesters lauschten, der von Verdammnis und Erlösung sprach. Aber auch von ihrer Aufgabe in diesem göttlichen Plan. Mich schauderte noch immer und ich fühlte mich von unzähligen Augen beobachtet.
„Sie sind anders. Doch das sind meine Kinder und ich auch. Jeder sucht sich das Leben mit dem er am leichtesten zurecht kommt. Und fügt sich so stark oder so wenig in die Welt der Menschen ein, wie er es vertreten kann.“
Ich fragte nicht weiter, war jedoch froh, als wir das Kloster hinter uns ließen und zu dem Tempel in der Wüste reisten. Am Einstieg hatten die Menschen vor Jahrhunderten Opfer gebracht, um den Gott gnädig zu stimmen. Verbrecher, aber auch Kinder und jungfräuliche Mädchen. Irgendwann war der Kult gestorben, wie so viele andere ähnliche auch. Der Blutgott musste wieder selbst auf die Jagd gehen. Eines Tages war ein Knabe zu ihm gekommen, der sich selbst zum Opfer bot für das Wohl seiner Familie. Denn ein ehrenvoll gegebenes Opfer, das hatte der uralte Kult einst gelehrt, sicherte der Familie desjenigen, der sich selbst gab, Rettung aus der Not. Der Junge hatte von einem alten Bettler die Geschichte des Blutgottes gehört und es war seine letzte Hoffnung gewesen, seine Mutter und Schwestern zu retten, denen der Hungertod drohte.
„Seine Seele war weiß wie Schnee. Unschuldig wie die eines Neugeborenen. Die reinste, die ein Vampir wohl je geschmeckt hat. Er hatte noch bei keinem Mann und keiner Frau gelegen. Hatte weder Knabe noch Mädchen begehrt und nie etwas Verwerfliches getan. Kein Raub, kein Mord, nicht einmal Betrug“, erklärte ich Saphyro, während ich in dem Buch las.
„Der Blutgott hat das Opfer angenommen und den Jungen verwandelt. In unschuldiger, verehrender Liebe für solch ein reines Herz. Wenn die Legende stimmt, dann hat er bis heute keine Sünde begangen. Und das alles ist schon Jahrhunderte her.“
Ich machte eine Pause, suchte die Stelle und las laut vor. „Er kennt die Sünde nicht. Hat weder Weib noch Mann begehrt noch je getötet. Niemals von einem Sterblichen getrunken, nur von seinem dunklen Vater. Sein Herz ist rein. Er liest, schreibt, malt und fertigt Skulpturen aus allem erdenklichen Material. Er arbeitet mit Geist und Händen von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang. Seine Seele kennt die Finsternis nicht. Weiß nicht um die Abgründe in den Herzen der Menschen und Dämonen.“
Der Junge musste wirklich ein Genie sein und die Unschuld in Person. Ich konnte kaum glauben, dass das wirklich stimmte. Doch falls ja, dann war er auf jeden Fall der Gesuchte.
„Und ich hab immer gedacht, das mit dem schlechten Wetter in London sei nur ein blöder Spruch.“
Warren fuhr erschrocken herum, er hatte Steven nicht kommen hören. Ungewöhnlich für einen Vampir. Gerade wenn sie neu in die Nacht geboren waren, reagierten ihre Sinne überempfindlich auf alle Reize. Das wurde oft zum Problem, der häufigste Grund für den Wahnsinn, der meist im Freitod endete.
Melissa hatte nur wenig über die Umstände von Warrens Wandlung erzählt, aber das war auch nicht nötig. Ihr Dunkles Blut floss in seinen Adern und von Dracon hatte er genug gehört, um sich die Details selbst zusammenzureimen. Der Drache schien ja wie
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