Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)
Schulter.
„Ich bin nicht dein Feind, okay? Ich verstehe wie schwierig die Anfangszeit für dich ist. Wenn du magst, können wir zusammen auf die Jagd gehen.“
Das Misstrauen verschwand noch nicht ganz, aber Warren litt unter dem brennenden Blutdurst. Schweiß schimmerte auf seiner blassen Haut und seine Hände zitterten, sein Blick glitt unstet umher. Er fürchtete sich davor, aufzubrechen und ein Opfer zu suchen, weil es zu viel gab, was man falsch machen konnte. Die Angst, erwischt zu werden und was dann folgen würde – für ihn und auch den Orden – stand in seinen Augen.
„Du brauchst Blut“, sagte Steven eindringlich. „Und das nicht erst, wenn Mel zurück ist. Das wird zu lange dauern. Gerade jetzt am Anfang musst du oft genug trinken, weil deine Körperzellen das Lebenselixier brauchen. Sie speichern es nach und nach, wie kleine Depots. Darum musst du irgendwann auch weniger trinken. Aber das dauert seine Zeit.“ Er überlegte kurz. Natürlich konnte er ihn auch von sich trinken lassen, doch ob Warren das annahm?
„Nein!“, kam die entschiedene Antwort.
Steven war verblüfft, hatte nicht damit gerechnet, dass Warren seine Gedanken las. Der sah beschämt zur Seite.
„Tut mir leid. Mel hat es mir beigebracht. Das war schon vor der Wandlung.“
„Schon okay.“ Steven winkte ab. „Es war nur eine Idee. Also, wollen wir jetzt zusammen jagen?“
Warrens Schüchternheit rührte ihn, wie er hin und her gerissen mit sich rang, aber schließlich nachgab und nickte.
„Gut. Dann musst du mir nur noch sagen, ob du schon getötet hast, oder ob du den kleinen Trunk vorziehst. Ich richte mich ganz nach dir.“
„Mir wäre es lieber, wenn ich keinen dabei killen muss.“
Steven lächelte beruhigend. „Das musst du nicht, keine Sorge.“
Er hatte Warren in sein Herz geschlossen und würde alles tun, was in seiner Macht stand, damit er am Leben blieb.
Die Wüste bei Nacht ist zuweilen unheimlich. Hier herrscht eine fremdartige Stille, die man nirgends sonst findet. In der Nähe menschlicher Siedlungen gibt es immer unterschwellige Geräusche, wir nehmen sie kaum wahr, doch sie sind uns vertraut, gehören dazu. Die Wüste ist anders, auch nicht lautlos, doch die Geräusche sind anderer Natur. Der Nachtwind, der über die Sanddünen gleitet, kleine Tiere, die sich dem kargen Leben angepasst haben, die Glut des Tages meiden – ähnlich wie meinesgleichen – und in der Nacht auf Beutejagd gehen. Unwirklich und ein bisschen auch beängstigend. Ich kannte diese Art von Stille nur aus Ägypten, als wir Athaír in seiner Höhle aufgesucht hatten, doch selbst dort war sie mir nicht so drückend erschienen wie die Sahara in dieser Nacht, während wir unserem Ziel stetig näher kamen.
Ich war dankbar, Saphyro an meiner Seite zu haben und auch wenn es mir noch immer schwer fiel, daran zu denken, wie jung seine Schar von Vampiren war, musste ich zugeben, dass ich ihn inzwischen mochte und wir uns näher kamen. Dass er mich wie selbstverständlich begleitete, mir seinen Schutz gab, ohne nach einer Gegenleistung zu fragen, ehrte ihn. Ich musste meine schlechte Meinung über ihn revidieren und fing sogar an, ihn mit anderen Augen zu sehen. Ob er sich dessen bewusst war? Ich weiß es nicht.
Seine Hand legte sich mutmachend auf meinen Rücken, als wir uns dem Eingang der einstigen Kultstätte näherten, dabei strahlte sein Gesicht eine solche Ruhe aus, dass sie sich auf mich übertrug. Ich spürte, wie sich selbst Osira in meinem Inneren vertrauensvoll in seine Berührung schmiegte. Wenn sie das tat, konnte ich es guten Gewissens auch.
„Er wird sein Heim sehr tief unter der Erde haben, wohin ein Mensch nicht vorzudringen vermag. Oder er hat den Zugang gesichert.“
Ich dachte an schwer zu bewegende Steinplatten oder Felsen, wie man es in Büchern liest oder in Filmen sieht, aber dann musste ich über diese Naivität lachen. In Zeiten ohne Sprengstoff war das sicher hilfreich gewesen. Heutzutage …
Anakahns Schutz bestand aus einer großen und trostlos leeren Höhle, die dem Besucher jedes Interesse nahm, weiter vorzudringen. Dahinter befand sich ein labyrinthähnliches Gangsystem, das vor einer glatten Sandsteinwand endete. Eine Sackgasse? Aber Saphyro fuhr mit der Hand über die ebene Fläche und plötzlich gab diese nach. Wir betraten eine deutlich interessantere Höhle. Fackeln an den Wänden, Felle auf dem Boden, leise Musik schwebte durch die Gänge. Wir folgten ihr und je näher wir ihrem
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