Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)
niemand mehr wohnte. Ich musste lachen, waren mir die Überwürfe doch ein vertrautes Wohnambiente aus Miami.
Armand begleitete mich still, während ich alle Räume durchwanderte, meine Antennen ausstreckte, doch es war nichts von ihrem Wesen in diesem Haus zurückgeblieben. Es erschien friedlich und sanft wie zu meiner Kinderzeit, breitete einen Hauch von Melancholie in meinem Herzen aus, der auch Armand nicht verborgen blieb.
„Wenn du es dir anders überlegst und wieder hier einziehen möchtest, ich kann überall mit dir leben, solange du glücklich bist.“ Mein dankbares Lächeln schmolz ein weiteres Stück von dem Eis, das die lange Trennung zwischen uns aufgebaut hatte.
„Ich bin noch nicht sicher. Vielleicht. Sie sagte, es gehört jetzt mir. Aber ich werde Serena fragen, ob sie hier einziehen möchte, immerhin ist sie Margrets Tochter. Wenn sie es nicht will, dann überlege ich es mir.“
Ich hatte Margret auch im Tode nicht erzählt, dass Serena noch lebte. Da galt meine Loyalität doch der Frau, die meiner Mutter eine Freundin gewesen war und sogar mit mir vor Margret hatte fliehen wollen. Das wurde ihr zum Verhängnis, denn selbst vor dem Mord an ihrer Tochter war die Hohepriesterin nicht zurückgeschreckt. Die Spuren des Brandes zeichneten Serena für den Rest ihres Lebens, konnten der Wärme ihres Wesens aber keinen Abbruch tun.
Der zweite Weg war noch schwerer und mit düsteren Erinnerungen behaftet. Der Boden rund um die Hütte im Wald, in der ich einst auf meinen Tod gewartet hatte, roch auch heute noch nach Feuer, Rauch und Asche. Meine Mutter war hier gestorben, Lilly ebenfalls und mich hatte Armand in letzter Sekunde davor bewahrt.
Das Dach war inzwischen eingefallen und durch die Fensterscheiben hatten Jugendliche Steine geworfen. Nachdem Bylden Wood nicht mehr von schwarzer Magie durchtränkt war, glich er einem Wald wie tausend anderen. Es hatte ihm seine Reinheit genommen, seine Einzigartigkeit, aber auch seine düster-bedrohliche Atmosphäre. Auf der Wiese vor der Hütte ästen ein paar Rehe und ich nahm den Frieden dieser Szene in mich auf, um die Schrecken zu bannen, die sonst an diesem Ort hingen.
Margret hatte mir gesagt, hinter welchem Brett sie die Urnen aufbewahrte. So nah war mir meine Mutter gewesen, als der Tod bereits mit kalten Fingern nach mir griff. Und ich hatte keine Ahnung gehabt. Mit zitternden Händen fuhr ich über das glatte Holz, zählte die Planken durch, bis ich die elfte erreichte. Tatsächlich war es leicht, sie ein Stück nach hinten zu drücken. Ich zog einmal, sie löste sich aus den Haken, mit denen sie aufgehangen war. Armand nahm mir das Brett ab und ich beugte mich in die Öffnung hinein. Da standen sie. Vier Urnen. Wer in den anderen beiden ruhte, wusste ich nicht. Die Asche meiner Mutter hatte sie in eine blaue gefüllt und als ich meine Hand auf das Gefäß legte, hörte ich Joannas Falken rufen. Ja, Margret hatte nicht gelogen. Erleichtert hob ich das Gefäß aus seinem Versteck. Es war unbeschädigt. Auf dem Friedhof von Gorlem Manor würden nun auch die irdischen Überreste von Mama und Tante Lilly ihre letzte Ruhe finden. So, wie sie es verdient hatten. Lillys Urne war aus simplem gebranntem Ton. Die beiden anderen schwarz lasiert. Wir nahmen alle vier mit. So viele Jahren hatten sie gemeinsam verbracht, sie sollten auch jetzt nicht getrennt werden.
Franklin hatte Tränen in den Augen, als wir die Krüge vor ihm abstellten. Zärtlich strich er über die blaue Urne, seine Hand zitterte, aber in seinem Blick sah ich grenzenlose Erleichterung, dass sie nun wieder bei ihm war.
Armand betrachtete meinen Vater aufmerksam. Auch seine Iris schimmerte, weil er gewahr wurde, dass ich recht hatte. Franklin war gezeichnet von den Entbehrungen und dem fortschreitenden Alterungsprozess, der nun aufholte, was all die Jahre versäumt geblieben war. Ich wusste, er würde ihre Liebe erneuern und zwar von Herzen. Da ich beide Männer liebte, tat es mir nicht weh, sondern zauberte ein zufriedenes Lächeln auf mein Gesicht.
Ich verstand und respektierte Franklins Wunsch, eine Weile allein mit Joannas Überresten zu sein. Es mochte sentimental erscheinen, doch kaum einer konnte das Band zwischen den beiden besser einschätzen als ich. Im Laufe des kommenden Tages sollte Maurice ihr Grab auf dem Friedhof wieder ausheben lassen, damit wir sie in der folgenden Nacht beisetzen konnten.
„Würdest du bitte auch eins für Margret richten lassen?“, fragte ich. Im
Weitere Kostenlose Bücher