Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)
mitgebracht, in der es sich gefahrlos transportieren ließ. Aber erst einmal galt es, in den Komplex hineinzukommen, ohne einen der diversen Alarme auszulösen, die außerhalb der Öffnungszeiten aktiviert wurden. Auch die Glasvitrine stand unter elektronischer Sicherung. Lichtschranken und Sensoren für Staub und Feuchtigkeit überwachten den Papyrus durchgehen.
Vor drei Tagen hatte er sich unbemerkt in die Datenbank der Bibliothek gehackt und die Namen der Angestellten sowie Dienstpläne und Autorisierungen studiert. Er hatte sich für Fritz Bergholm entschieden. Ein dreiundfünfzigjähriger Professor für alte Sprachen und Kulturen mit Zugriff auf das zentrale Sicherheitssystem. Wenn alles glatt lief, war allein die Vitrine sein wirkliches Problem. Er hatte den guten Professor heute Abend abgepasst. Eine leckere Mahlzeit, wenngleich etwas zäh, aber so was kam im Alter nun mal vor. Ob Goshwa die Reste seinen vierbeinigen Verwandten in den Zoo bringen oder sie sich als Vorrat mit nach Hause nehmen sollte, hatte er noch nicht entschieden. Fürs Erste war ein Versteck unter der Hecke ausreichend. Den Sicherheitsausweis brauchte Professor Bergholm jedenfalls nicht mehr, also hatte er bestimmt nichts dagegen, wenn Goshwa ihn sich lieh.
Er wartete, bis alle Lichter im Gebäude erloschen, dann schlich er zum Mitarbeiter-Eingang, zog den Ausweis durch den Scanner und die Tür wurde freigegeben.
Den Weg ohne Licht zu finden, fiel ebenfalls leicht, nachdem er die Nachtsicht seiner Luchsar-Augen aktivierte. Binnen kürzester Zeit fand er den Trakt mit den Schriftrollen über Magie und Geheimwissenschaften. Das gesuchte Exponat lag in der zweiten Sektion am Ende im Glaskasten.
„Irgendwie hängt mir wohl eine Sehne zwischen den Zähnen“, sinnierte Goshwa und holte ein Päckchen Kaugummi hervor. Mundhygiene nach dem Essen war wichtig. Außerdem hatte das Silberpapier eine hervorragende Eigenschaft, die für einen Dieb von großem Nutzen sein konnte. Sie reflektierte Lichtschranken. Der älteste Trick der Welt, aber immer noch effektiv. Mit geübten Fingern schob Goshwa sich erst den Kaugummi zwischen die Zähne und dann das gefaltete Silberpapier in den schmalen Schlitz des Glaskastens.
Blieben noch die Sensoren für Staub und Feuchtigkeit. Wenn er den Deckel öffnete, hatte er schätzungsweise ein oder zwei Minuten Zeit, ehe eine Warnmeldung in der Museumszentrale einging. Dann noch mal maximal fünf weitere, bis jemand hier auftauchte, um das zu prüfen. In dieser Zeit musste er den Papyrus vorsichtig herausnehmen, zusammenrollen, in der Vakuumröhre verstauen und das Gebäude wieder verlassen.
Konnte verdammt eng werden. Sein Blick glitt zu den Fenstern. Eine Möglichkeit, auch wenn es hoch war. Doch Katzen fielen ja bekanntlich immer auf die Füße. Er grinste und klappte rasch den Deckel der Vitrine hoch.
„Ach, mein Schätzchen. Du bist nicht mit Gold zu bezahlen.“ Ehrfürchtig strichen seine Finger über den Papyrus. Er konnte die Worte mühelos lesen, denn sein Volk hatte sie einst verfasst. Darum war ihm auch die Aufgabe zugefallen, die Schriftrolle zu stehlen. Er würde sich so bald wie möglich an die Übersetzung machen, doch nun musste er schleunigst von hier verschwinden. Das zusammengerollte Papier steckte er in die Röhre, legte sich diese um die Schulter und öffnete ein Fenster. Zwei Stockwerke sollten eigentlich kein Problem sein. Der Boden unter ihm bestand aus Gras, das den Aufprall abfederte. Kaum berührten seine Füße wieder Erde, vernahm sein feines Gehör auch schon das helle Sirren eines Alarms in der Zentrale. Gleich war die Magie-Sektion voller Menschen, also nichts wie weg. Doch er hatte nicht damit gerechnet, dass ein Nachtwächter in den Gängen unterwegs war.
„Halt!“, erklang es von dem Fenster, aus dem er gerade gesprungen war.
Fauchend bleckte er die Zähne, da knallte der erste Schuss, schlug Millimeter neben ihm ein. Er zuckte überrascht zusammen, setzte zum Sprung an, als ein zweiter Schuss die Stille der Nacht zerriss, gefolgt von einem brennenden Schmerz in seinem Bein. Er spürte in der Kontraktion des Muskels wo die Kugel stecken blieb, aber darauf durfte er jetzt keine Rücksicht nehmen. Weitere Schüsse peitschen hinter ihm her, Adrenalin jagte durch seine Adern und trieb ihn vorwärts, obwohl sein Bein ihm höllische Qualen bereitete. Die Reste seiner Mahlzeit musste er wohl oder übel dort lassen wo sie waren. Es würde unangenehme Fragen aufwerfen, wenn man
Weitere Kostenlose Bücher