Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)
der Weg durch ein wahres Labyrinth von Gängen.
„
Mon ami noir
, wie sollen wir hier nur herausfinden?“
Anfangs folgten sie den Fackeln, die in Halterungen an den Wänden hingen, bis Armand schließlich feststellte, dass sie im Kreis liefen. Offenbar hatte sich auch der Zwerg nur in diesem Lichtradius bewegt, denn es gab zwei weitere Räume, die bewohnt aussahen.
Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich in die Dunkelheit vorzuwagen, auch wenn dort alle möglichen Gefahren lauern mochten. Die Finsternis war an einigen Stellen so dicht, dass Armand sie selbst mit seinen Vampiraugen nicht durchdringen konnte, sondern sich mit den Händen vorwärts tastete. Immer darauf bedacht, nicht unachtsam in ein Loch zu treten oder an losen Steinen womöglich Fallen auszulösen wie bei Indiana Jones und Co.
Das Gefühl, beobachtet zu werden, verfolgte ihn auf Schritt und Tritt. Mehrmals glaubte er, den kalten Atem eines Wesens im Nacken zu spüren. Dann fuhr er jedes Mal mit klopfendem Herzen herum, drehte sich im Kreis und versuchte zu ergründen, woher es kam. Doch alles blieb still und ohne ein Zeichen von Leben. Nach und nach wurde Armand ruhiger und schob das Gefühl auf seine angespannten Nerven. Es war ein altes Gemäuer und somit sicher zugig.
Überall zweigten Wege ab, von denen wiederum neue abgingen. Mehrmals schon hatte er sich in Sackgassen wiedergefunden und sich beim Rückweg in weiteren Quergängen verirrt. In seinem ganzen Leben war ihm ein solches Labyrinth noch nicht untergekommen.
Je länger er die Gänge durchwanderte, desto bewusster wurde ihm die Tatsache, dass ihnen nichts und niemand begegnete. Jedenfalls nichts Lebendiges. Allenfalls Geister dieser Festung, die ihren Ursprung in den Panikattacken und Vorstellungen derer fanden, die versuchten, dem bedrückenden Gefängnis zu entkommen. Denn das war es ganz sicher: Ein Gefängnis. Für Hoffnungen und Träume und solche, die man vergessen wollte. Doch außer ihm gab es derzeit wohl niemanden sonst, den der Eigentümer dieses Baus aus seinen Gedanken streichen wollte. Es waren keine Geräusche zu hören, die auf weitere Bewohner hindeuteten. Alles roch kalt, feucht und muffig, gänzlich leblos und verlassen. Armand kroch eine Gänsehaut über den Rücken. Dass er fror, lag nicht an seinen zerfetzten Kleidern, sondern einzig an dieser unheimlichen Stimmung in diesen Mauern. Er musste hier raus, aber wie? Wohin? Die Gänge sahen alle gleich aus, verwinkelten sich weiter und weiter. Immer wieder glaubte er, an Stellen vorbeizukommen, die er schon einmal passiert hatte, doch sicher war er nie.
Welodan schritt mit stoischer Ruhe neben ihm her und schien sich weit weniger Sorgen zu machen ob sie hier jemals wieder rauskamen oder nicht. Empfand ein Totem-Tier überhaupt Angst? Er hatte Mel nie danach gefragt. Das musste er dringend nachholen … falls er sie noch mal wiedersah.
Schmerz schnürte ihm die Kehle zu und sein Herz krampfte sich zusammen beim Gedanken an seine Liebste. Wenn sie nun ein ähnliches Schicksal erlitten hatte? Wenn man sie auch gefangen, gefoltert und irgendwo eingesperrt hatte? Er keuchte, schlug in seiner Verzweiflung gegen die kalten Steinwände und schrie Mels Namen so laut er konnte. Dann lauschte er angestrengt. Nur sein eigenes Echo, das in den leeren Gängen verhallte. Er schrie noch einmal, drehte sich im Kreis und spitzte die Ohren. Aber alles blieb still. Nein, sie war nicht hier. Das erleichterte und sorgte ihn in gleichem Maße. Denn der Gedanke, dass ihr dasselbe widerfahren war, bereitete Armand eine unerträgliche Pein. Vor allem, wenn sie vielleicht genauso alleine war. In einem anderen Gemäuer als diesem, noch im bannenden Käfig gefangen. Nein, er durfte nicht weiter daran denken, sonst überrollte ihn der Wahnsinn und er entkam niemals. Er zwang sich, tief durchzuatmen, sagte sich, dass Mel von ihrem Einsatz zurückgekehrt war und nun ganz bestimmt mit Franklin gemütlich im Kaminzimmer saß.
Aber dieser Gedanke war ebenso abwegig. Nach seinem Verschwinden sorgte sie sich bestimmt, suchte nach ihm, irrte durch dieWelt und rief, ohne eine Antwort zu erhalten. Fühlte sich verlassen, verraten. Hasste ihn inzwischen sogar, weil er wortlos gegangen war. Und ahnte nicht, welches Schicksal ihn in Wirklichkeit ereilt hatte.
Irgendwann würde sie aufhören nach ihm zu suchen. Würde einen anderen finden und ihn vergessen. Und er wäre bis dahin längst verrottet. Nur noch blanke Knochen von ihm übrig, abgenagt
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