Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)
Menschenblut meinte. „Steven ist gebildet, du wirst seine Gesellschaft sicher ebenso angenehm empfinden wie ich. Aber ich glaube, dir ist klar, dass jede intime Annäherung natürlich undenkbar ist.“
Ich nickte mechanisch und umso gespannter auf den Mann, der heute Abend unser Gast war. Meine Neugier wurde schon bald gestillt, denn eine Viertelstunde später kam Gillian, um uns zu sagen, dass der Helikopter soeben zur Landung ansetzte.
Ich begleitete Lucien auf den Balkon, von wo aus man den Landeplatz einsehen konnte. Geschickt manövrierte Andy den Heli zwischen den Mauern und engstehenden Bäumen des angrenzenden Waldes auf die kleine Lichtung hinunter. Während die Rotorblätter langsam zum Stillstand kamen, entstieg der schwarzen Maschine ein Mann Ende dreißig mit kurzen, hellblonden Haarenund einem markanten schmalen Gesicht. Die Konturen seines Körpers zeichneten sich unter seiner Kleidung ab, für einen Moment stockte mir der Atem bei diesem Anblick von Kraft und Geschmeidigkeit. Die extrem hohen Wangenknochen und der leicht spöttische Zug um seine Lippen, verliehen im eine aristokratisch-erhabene Note. Er winkte uns zu und lief den Weg zum rückwärtigen Eingang allein. Offenbar kannte er sich bestens aus.
Als er gleich darauf im Speisesaal zu uns stieß und Lucien uns miteinander bekannt machte, war ich vom ersten Moment an fasziniert von der Mischung aus allerbesten Manieren und Rebell. Er war ausgesprochen höflich, rückte mir bei Tisch den Stuhl zurecht und reichte mir die einzelnen Tabletts mit den Speisen, als ob er in meinen Gedanken las, wonach ich gerade greifen wollte. Wir betrieben höfliche Konversation, aber seine Haltung und die ein oder andere Bemerkung verrieten auch, dass es eine andere Seite in ihm gab, die mich außerordentlich interessierte. Er strahlte ein starkes Selbstbewusstsein aus, lässige Arroganz und sah in den engen Jeans und dem weißen, kurzärmeligen Baumwollhemd einfach verboten gut aus. Der blaue Stahl seiner Augen schien mich zu durchbohren, während er meinen Worten lauschte. Steven war sich seines guten Aussehens wohl bewusst, sicher flogen ihm die Herzen sämtlicher Schwestern im Hospital zu und auch der ein oder andere Kollege fand seinen durchtrainierten, schlanken Körper und diesen Hauch von Verruchtheit bestimmt sehr anziehend. Ob so mancher seinem Charme zuweilen erlag? Ich konnte mir vorstellen, dass er seine Macht skrupellos genug einsetzte, um sie nach einer leidenschaftlichen Nacht in den Nebelschlaf zu schicken, Männlein wie Weiblein. Während ich darüber nachdachte, grinste er mich spitzbübisch an, was ein Grübchen in seine linke Wange zauberte. Ich errötete, fühlte mich ertappt, doch er ging nicht weiter darauf ein.
Leider bestand in Luciens Beisein wenig Chance, diese dunklere Seite an Steven genauer kennen zu lernen, so blieb sie nur eine Ahnung. Mir entgingen nicht die Blicke, die er mir während des Essens zuwarf. Und auch später, als wir gemütlich in der Bibliothek beisammen saßen und plauderten.
Seit Armands Verschwinden war er der erste Mann, der ein sinnliches Interesse bei mir wachrief. Und dann musste er ausgerechnet Tizians Linie entstammen. Verstohlen blickte ich immer wieder zu Lucien, der sich offenbar einen Spaß daraus machte, dass es zwischen Steven und mir knisterte. Er hatte eben eine Schwäche für das Spiel mit dem Feuer, aber natürlich wusste er, dass wir das Risiko nicht vergessen würden, wenn wir uns zu nahe kamen. Das Blut unserer eigenen Art war einfach zu verlockend, also waren wir füreinander praktisch tabu. Dumm nur, dass Verbotenes meist den größten Reiz ausübt, dachte ich bei mir.
Ich mochte Steven. Er besaß einen wundervollen Charakter, wie mir sehr schnell klar wurde, als er von seinem Job in der Klinik erzählte. Arzt mit Leib und Seele. Außerdem ein sehr starker Vampir, denn sonst hätte er diese Belastung nicht verkraftet.
Als es Zeit wurde, zu gehen, brachte ich Steven zum Heli zurück, was Lucien schmunzelnd unkommentiert ließ. Aber sein Blick sprach Bände.
„Chirurgie ist nicht gerade das, was ich mir unter einer sinnvollen Tätigkeit für einen Vampir vorstelle“, sagte ich zu Steven, während wir den von blühenden Sträuchern gesäumten Weg zur Lichtung gingen. „Ständig Blut vor Augen, das muss doch auf Dauer wahnsinnig machen.“
Steven lachte. „Gerade deshalb habe ich es gut im Griff. Ich setze mich dem ganz bewusst aus. Und bei der Arbeit bin ich so konzentriert, dass
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