Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)
mich so … so … schmutzig. Verdorben. Einfach widerlich.“
„Dich trifft keine Schuld“, sagte ich leise, ohne ihn anzusehen und überlegte fieberhaft, welche Möglichkeit der Schadensbegrenzung ich noch hatte. War es eine einmalige Sache gewesen, oder plante der Drache eine Wiederholung?
„Ich hätte mich wehren müssen. Du hattest mich gewarnt. Ich hätte es nicht zulassen dürfen.“
„Hat er dich … vergewaltigt?“
Es tat mir weh, ihm diese Frage stellen zu müssen, aber ich war mir bei Dracon nicht sicher. Ich kannte inzwischen eine Seite an ihm, die Warren auf sanftere Art überzeugt hätte.
Mein Blick fiel auf das bandagierte Handgelenk. War er das gewesen? Doch warum dann nur so eine geringe Verletzung? Die Erinnerung an mein eigenes Erlebnis mit ihm kam wieder hoch. In meinem Körper war kaum mehr ein Knochen heil gewesen. Mehr tot als lebendig hatte Lemain mich gerettet, nachdem mir die Flucht gelungen war, doch der hohe Blutverlust hatte mich damals schon in einen Halbvampir verwandelt. Nein, das passte alles nicht zusammen.
„Warren?“
Er seufzte, ein gequälter Laut. Seine Lippen bebten und ich sah eine Träne aus seinem Augenwinkel fließen.
„Ich weiß es nicht“, stieß er mit heiserer Stimme hervor.
Ich ging zu ihm hinüber und nahm ihn in die Arme. Schluchzend barg er sein Gesicht in meinem Haar, weinte sich an meiner Schulter aus. Sein Körper bebte und ich konnte die Anspannung fühlen, die ihn innerlich fast zerreißen musste.
„War er das?“, fragte ich und hob behutsam seine bandagierte Hand an.
Warren nickte. „Es ist nur angebrochen. Halb so wild.“
„Was hast du dem Doc gesagt?“
„Sturz im Bad, weil ich auf den nassen Fliesen ausgerutscht bin. Die Wahrheit kam wohl kaum in Frage.“
Nein, wohl nicht.
„Hat er dich sonst noch irgendwo verletzt?“
Er senkte beschämt den Blick. Ich verstand. Beim erstenmal und da Dracon auch nicht gerade zu den zärtlichsten Liebhabern gehörte, kam so was vor. Es war vermutlich nicht drastisch aber ihm einfach zu peinlich, mit mir darüber zu reden. Ich begriff, dasses ihn eine enorme Überwindung kostete, mir das alles zu erzählen, doch es gab niemanden, dem er sich sonst hätte anvertrauen können.
„Er hat mich auch gebissen. In die Schulter. Das … das war so ganz anders als bei dir.“
Ich nickte und erklärte ihm, dass der Unterschied im Akt lag. „Während des Sex empfindest du anders. Dann wird Schmerz auch zu Lust, wenn dein Partner geübt darin ist. Dracon spielt das Spiel verdammt gut.“
Lucien noch viel besser, aber das musste ich Warren nicht sagen.
„Ich wünschte, ich hätte es wenigstens nicht so genossen. Wäre dabei nicht zum Höhepunkt gekommen. Dann könnte ich es anders sehen, die Schuld bei ihm suchen, mir einreden, dass …“
„Quäl dich bitte nicht mit solchen Überlegungen. Du hattest wirklich keine Chance. Schon gar nicht, wenn ihm wirklich was an deinen Empfindungen lag. Und so scheint es zumindest.“
Er schnaubte missmutig. „Toll. Soll ich mich darüber auch noch freuen?“
„Dracon hätte dich auch töten können. Oder wesentlich schlimmer zurichten.“
Warren wusste zu wenig über meinesgleichen. Schuldgefühle stiegen in mir auf. Aber ich hatte in Absprache mit Franklin und auch aus eigener Überzeugung, dass es besser für ihn war, nur das wirklich Notwendige gesagt. Mein Blut sollte ihn schützen, Details spielten keine Rolle. Doch nun war der Schutz meines Blutes dahin, denn Dracon kümmerte sich nicht um solche Dinge.
„Du hast keine wirklich realistische Chance, wenn einer von unserer Art dich verführt. Und Dracon ist skrupellos. Du hättest nichts tun können.“
„Ich hätte es versuchen müssen.“
„Wozu? Um zu sterben?“ Ich blickte auf sein bandagiertes Handgelenk. „Glaubst du wirklich, es hätte etwas geändert, wenn du dich gewehrt hättest?“
Er antwortete nicht, aber ich wusste, es quälte ihn, dass er sich wie das Kaninchen vor der Schlange benommen hatte. Er konnte nicht begreifen, dass es das Beste war, was er hatte tun können, um zu überleben. Vermutlich lag es an seiner Ausbildung. Man hatte ihm beigebracht immer zu kämpfen, nicht nachzugeben, sich nicht vom Feind einschüchtern zu lassen. Das alles funktioniert wunderbar bei Menschen, aber bei Vampiren gelten andere Regeln. Die mentale Kontrolle, die wir über unsere Opfer ausüben, stellt etwas dar, das man ihnen beim MI5 nicht hatte beibringen können.
„Sei froh, dass er dich
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