Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)
dem Engelsmal verschwendet. Jetzt war es zu spät, damit anzufangen. Und tot war tot, egal in welchem Zustand sich die Überreste befanden. Sie tat gut daran, sich eher um sich selbst Sorgen zu machen, denn die Luft in der kleinen Schatulle wurde stickiger. Ihr standen Schweißperlen auf der Stirn, weil auch die Temperatur stetig zunahm.
„Kannst du mich nicht hier raus lassen? Ich höre gar keine Sirenen mehr. Hier drin wird es allmählich ziemlich unbequem“, rief sie nach draußen.
„Halte noch ein bisschen durch. Wir sind bald da“, kam die Antwort.
Da? Wo, da? Sie hatte nicht die Absicht gehabt, mit ihm irgendwohin zu fahren. Sie sollte nur das Kind übergeben und das hatte sie getan. Ein ungutes Gefühl machte sich in ihrer Magengegend breit, nagte an ihren angespannten Nerven. Das lief alles überhaupt nicht so wie es sollte und gefiel ihr immer weniger. Es war ein Fehler gewesen, in die Schatulle zu springen, statt allein durch den Wald zu flüchten und ihn mit dem Mädchen wegfahren zu lassen.
Der Wagen kam abrupt zum Stehen und das Motorengeräusch erstarb. Ein erster Hauch von Erleichterung machte sich in Malaida breit. Jetzt konnte sie diesem muffigen Gefängnis gleich entkommen und so schnell wie möglich den Mann und das Kind hinter sich lassen. Doch statt einfach den Deckel zu öffnen, nahm er die Schatulle hoch und trug sie irgendwo hin. Bei dem Schaukeln konnte man seekrank werden und als der Kasten unsanft abgestellt wurde, stieß sich die Elfe schmerzhaft den Kopf.
„Hey, was soll denn das? Geht das nicht auch ein bisschen behutsamer?“
Keine Antwort. Vermutlich holte er auch das Kind noch aus dem Wagen, was wenig später durch schabende Geräusche bestätigt wurde, die davon kündeten, dass er den Käfig über den Boden zog.
„Ich hätte dir ja beim Tragen geholfen, wenn du mich rausgelassen hättest“, bemerkte sie spitz, lauschte dann wieder angestrengt, was außerhalb ihrer Behausung, in der sie sich immer ungemütlicher fühlte, vor sich ging.
„Die Schatulle ist offen, du kannst den Deckel selbst hochdrücken“, antwortete der Mann ihr emotionslos.
Vorsichtig drückte sie gegen das Dach und tatsächlich ließ es sich ganz leicht anheben. Geschwind huschte sie hinaus, kam aber keinen Meter weit, denn rund um sie herum befand sich Glas. Links, rechts, vor, hinter, unter und sogar über ihr. Was war das denn nun wieder für ein übles Spiel? Wütend stemmte sie ihre Hände in die Hüften, flatterte so weit nach oben, wie es ihre neue Behausung zuließ und funkelte ihn giftig an.
„Lass mich sofort hier raus!“
„Nein.“
Verdutzt hielt sie inne. Hatte er nein gesagt? Warum das denn? „Ich habe meinen Auftrag doch erfüllt. Nun möchte ich wieder zurück nach Hause, also öffne bitte dieses Glasding, damit ich mich wieder zurückverwandeln kann.“
„Nein“, wiederholte er ungerührt.
Er hatte Samara gerade etwas zu essen gebracht, das nach einem Teller Suppe aussah, doch Malaida konnte hier drinnen nichts riechen. Sie reckte ihren Kopf, um mehr zu erkennen, gab dann aber schließlich resigniert auf.
„Wozu sperrst du mich denn ein? Wann lässt du mich gehen?“
Die Verzweiflung in ihr nahm zu, kein schönes Gefühl. Sie fröstelte und rieb sich über die grazilen Elfenärmchen. Allmählich wurde die dunkle Ahnung zur Angst und schnürte ihr die Kehle zu. Nervös flatterte sie mit den hauchzarten Flügeln, maß die Größe des Glaskastens aus, fand aber keinen Fluchtweg.
Schließlich kam er zu ihr und beugte sich über das durchsichtige Gebilde. Sein Grinsen behagte ihr überhaupt nicht, denn es hatte etwas Verschlagenes an sich. Wortlos machte er sich an einem kleinen Schlauch zu schaffen, den er in eine offenbar dafür vorgesehene winzig kleine Öffnung des Quaders steckte. Malaida schluckte, denn mit einem Mal war ihre Kehle ganz trocken. Sie wagte kaum zu fragen, was er da tat und nachdem er an einem kleinen Rädchen drehte, verriet das leise zischende Geräusch ihr mehr, als sie in Wahrheit wissen wollte. Die Luft veränderte sich, brannte in ihrer Kehle, in ihren Augen, gelblicher Nebel füllte zusehends das Innenleben ihres Gefängnisses.
„Gegen lästige Insekten gibt es wirkungsvolle Mittel“, erklärte er, doch Malaida hörte ihn kaum noch.
Sie lag am Boden, rang mühsam um letzte Atemzüge, dann blieb ihr kleiner Elfenkörper still und das Schillern ihrer Flügel verblich.
Hoffnung kennt nicht Zeit noch Raum
Es hatte eine ganze Weile
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