Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)
Möglichkeit schon mal abhaken.“
Enttäuscht war ich trotzdem und noch mehr, als mein Vater auf den Brocken nicht reagierte, den ich ihm hinwarf. Ich hatte wohl schon Paranoia, ihm etwas zu unterstellen. Immerhin, es war ein Hoffnungsschimmer gewesen, unserem Gegner mal einen Schritt voraus zu sein, oder wenigstens gleichzuziehen mit dem, was wir wussten.
„Willst du nicht doch noch mal mit Lucien wegen der Schrift reden?“
Franklin schüttelte entschieden den Kopf. „Darüber haben wir schon gesprochen, Mel.“
Ich hob beschwichtigend die Hände. „Ist schon gut, Dad. Kein Grund sich aufzuregen. Ich schätze, für den Moment können wir weiter nichts tun. Also werde ich jetzt Warren aufsuchen. Der hat auch etwas auf dem Herzen, wie mir scheint. Und vielleicht kann er mich gleich auf den Stand seiner Überlegungen bringen. Dann reden wir morgen Abend weiter.“
Wo Armand auch hinsah, überall blickten ihm kalte weiße Augen entgegen, unter denen halbgeöffnete und mit Reißzähnen bewehrte Mäuler lauerten. Er fragte sich, ob sie auf Bewegungen fixiert waren wie die Schlangen und von ihm abließen, wenn er sich ganz still verhielt. Doch sie rochen sicher auch das Blut, das nach und nach von seinem Körper abgewaschen wurde und eine leicht zu verfolgende Spur ins Wasser zeichnete. Ihm wurde klar, wenn sie den Kreis noch enger zogen, gab es keine Möglichkeit mehr für ihn, die Reihen zu durchbrechen. Genau darauf legten diese Raubfische es offensichtlich an. Seine einzige Chance bestand darin, in Bewegung zu bleiben und so auch die Jäger dazu zu zwingen, ihren Kreis größer zu halten, sich immer wieder neu um ihn zu formieren. Wie lange musste er dieses Spiel spielen, bis er das andere Ende des Sees erreichte? Attackierten sie ihn, sobald sie denVerlust der Beute fürchteten? Er schwamm langsamer, wollte sie nicht mit hektischen Bewegungen reizen, doch dass sie früher oder später angriffen, stand außer Frage.
Meter für Meter schob er sich weiter durchs Becken, versuchte dabei ständig, möglichst viele der Tiere im Auge zu behalten. Er zuckte zusammen, als etwas sein Bein berührte, drehte sich schnell im Wasser um, es war nur eine Pflanze gewesen. Doch in die Rotte von Tieren kam jetzt Bewegung. Sie umkreisten ihn nicht länger gemächlich, sondern kreuzten nun vor und hinter ihm, starteten einige Scheinangriffe. Sein Herz hämmerte in der Brust, er glaubte fast, die Schläge pflanzten sich im Wasser fort, sodass sie kleine Wellen erzeugten. Hatten Fische Ohren? Diese offenbar schon, denn sie wurden immer unruhiger, schnappten nacheinander und kamen ihm bedrohlich nahe. Sein Kopf sagte ihm, dass er die Panik niederringen musste, doch sein Instinkt konnte nur an Flucht denken. Schließlich siegte letztere und er schoss wie ein Pfeil durchs Wasser, hoffte, mit seiner vampirischen Schnelligkeit zu entkommen. Doch diese sonderbaren Raubfische waren wendig und flink, kommunizierten miteinander und brachten sich jedes Mal, wenn er glaubte, eine Lücke entdeckt zu haben, in neue Formation und machten die Mauer aus Fischleibern dicht. Aus unzähligen Verstecken kamen immer mehr von ihnen und auch der verzweifelte Versuch, zwischen den Felsformationen am Grund zu entwischen schlug fehl. In seiner Panik setzte sogar der Atemreflex wieder ein und spülte eisiges Wasser in seine Lungen. In seinem ganzen Leben hatte Armand sich nicht so gefürchtet, wie in dieser surrealen Welt voller Gefahren. Nicht einmal in seiner Sterblichkeit, wo er von einem illegalen Duell zum nächsten geschlittert war, bis sein Vater mit Enterbung drohte. Aber damals hatte er das Risiko gekannt, und eine Kugel oder ein Degenstich ins Herz waren etwas anderes als bei Bewusstsein von einem ganzen Schwarm hungriger Raubfische zerfleischt zu werden. Übelkeit stieg in ihm auf, hinterließ einen dumpfen Knoten in seinem Magen. Wie lange hungerten diese Tiere schon nach Beute? Jedenfalls lange genug, um sich den begehrten Happen nicht entgehen zu lassen.
Ein großes Exemplar schwamm mit aufgerissenem Rachen auf ihn zu. Er schaffte es, in letzter Sekunde auszuweichen und den Angreifer mit einem harten Schlag auf die Kiemen zum Rückzug zu bringen. Bei einer Einzelattacke konnte er sich wehren, doch wenn sie anfingen, ihn mit mehreren gleichzeitig anzugreifen, würde er Mühe haben, sich die Biester vom Leib zu halten. Er musste hier raus, dieser Gedanke nahm sein ganzes Bewusstsein ein. Je länger er im Wasser blieb, desto brenzliger
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