Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)
verführt hat. Hätte er dich vergewaltigt, wäre es mit dieser lächerlichen kleinen Bandage um dein Handgelenk nicht getan. Dann wärst du vielleicht tot oder auf der Intensivstation. Du hättest ihn niemals aufhalten können. Und wenn du es versucht hättest, hättest du ihm allen Grund gegeben, dir Gewalt anzutun. Dracon liebt es nämlich, zu quälen. Er liebt es, Schmerz zuzufügen, die Angst in den Augen seiner Opfer zu sehen. Er liebt es, sie schreien zu hören, betteln zu lassen um ihr erbärmliches Menschenleben.“
„Vielleicht wäre das besser gewesen, als dieses ekelerregende Gefühl, das mich jetzt verfolgt.“
„Das wird vergehen“, versuchte ich, ihm Mut zu machen. „Der Himmel weiß, warum Dracon sich damit zufrieden gegeben hat.“
„Er hat es wegen dir getan. Ganz sicher. Weil du ihm etwas bedeutest.“
Wieder seufzte ich leise. Ich kannte Dracon und ich wusste, was er für mich fühlte. Die Leidenschaft, den Wunsch zu besitzen. Macht übereinander auszuüben. Zu unterwerfen und sich unterwerfen zu lassen. Er begehrte mich, weil ich stark genug gewesen war, ihm als Mensch zu entkommen. Und kalt und furchtlos genug, ihm als Vampir die Stirn zu bieten, obwohl ich wusste, was zwischen ihm und Armand vorgefallen war und was er allen Kindern meines Liebsten seither geschworen hatte. Nur mir nicht. Ich war eine Ausnahme. Wegen mir selbst und ganz sicher auch wegen Lucien. Doch das tat hier nichts zur Sache. Hier zählte etwas ganz anderes. Und im Gegensatz zu Warren glaubte ich nicht, dass ich der Grund für das Verhalten des Drachen war. Der lag in Warren selbst. Dracon schien ein tieferes Interesse an ihm zu haben. Was ich vor Warren nicht aussprechen wollte, obwohl ich damit rechnen musste, dass es sich in Kürze bewahrheitete, war, dass Dracon es nicht bei diesem einen Mal belassen würde. Und hinter dem Schmerz in Warrens Augen sah ich auch bei ihm Begehren, wenn er an den Vampir dachte und daran, was er in seinen Armen empfunden hatte. Da war eine Sehnsucht. Möglich, dass auch die unerfüllte Liebe zu mir mit hineinspielte. Oder aber sehr viel mehr, über das sich Warren selbst noch nicht im Klaren war. Ich hasste das, was ich jetzt tat, doch ich musste mir Gewissheit verschaffen. Ganz behutsam drang ich in seinen Geist, erforschte ihn, ließ meinen Dämon Witterung aufnehmen. Die Antwort war niederschmetternd. Er war zu schwach, nicht für das Dunkle Blut geschaffen. Hoffentlich konnte ich Dracon davon überzeugen, sich auf einen sterblichen Liebhaber zu beschränken. Eine Wandlung … Warren würde entweder dem Wahnsinn verfallen und sterben, oder aber zu einem ebensolchen Teufel werden wie Dracon. Das Einzige, was ich tun konnte, war mit Dracon zu reden und zu hoffen, dass er noch nicht zu viel für Warren empfand.
Malaida fühlte sich von Minute zu Minute unwohler. Sie war praktisch blind, solange sie in dieser Schatulle saß. Die Fahrt war unruhig, sie wurde ständig hin und her geworfen. Von den Sirenen war schon kurz nach Beginn ihrer Flucht nichts mehr zu hören. Warum hielt er also nicht einfach an und ließ sie aussteigen? Wenn sie getrennt flüchteten, stiegen doch auch die Chancen, ihre Spuren zu verwischen.
Sie hörte Samara im hinteren Teil des Wagens leise weinen. Inzwischen war ihre Angst so groß, dass sie sogar von ihrer Süße verlor. Malaida konnte sie verstehen. Eine Elfe erweckte nicht die Art von Panik in einem Kind, wie ein fremder Mann. Samara war noch sehr klein, aber heutzutage wussten die Kinder bereits in diesem Alter von den Gefahren, die auf sie lauerten, wenn sie mit fremden Männern mitgingen. Und Zirkuskinder kannten den Ernst des Lebens und all seine Tücken noch viel früher.
Was sollte mit dem Kind geschehen, wenn es das Tor geöffnet hatte? Ließ man es zum Zirkus zurück? Oder erwartete es dann Gevatter Tod? Auch Elfen töteten, wenn sie die Wünsche und Hoffnungen stahlen, das war richtig. Doch die Sougven gehörten zu den wenigen Dämonenarten, die auch heutzutage noch eine große Vorliebe für zartes Menschenfleisch hatten, und irgendwie behagte Malaida der Gedanke nun doch nicht, dass das hübsche blonde Mädchen mit den babyblauen Augen mit aufgerissenem, ausgeweidetem Leib irgendwo zurückgelassen wurde, bis die Würmer das Werk vollendeten, was ein oder mehrere Sougven begonnen hatten.
Sinnlos, nun darüber nachzudenken. Sie hatte den Auftrag angenommen und ausgeführt und dabei auch keinen Gedanken an dasSchicksal des Mädchens mit
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