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Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)

Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)

Titel: Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya Carpenter
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aber es gab kein Entkommen.
    „Schau, mein süßes Kind. Deine Schwester ist ganz zauberhaft in ihrem neuen Kleid. Möchtest du es nicht auch gern tragen?“
    Ein dunkelblaues Kleid aus tausend Lagen von Tüll. Mit glitzernden Steinen. Es sah aus wie der Nachthimmel. Eine Falle. Wie Süßigkeiten für ein Kind. Damit lockten böse Männer kleine Mädchen. Sie wusste es, wusste, dass sie nicht einmal daran denken durfte, es anzunehmen. Trotzdem streckte sie sehnsüchtig ihre Hand nach diesem wunderschönen Märchenkleid aus.
    „Ja, komm nur näher. Siehst du, wir sind dir nicht böse, dass du ein Geheimnis ausgeplaudert hast. Obwohl du da ein ganz unartiges Mädchen warst.“
    Er beobachtete, wie sie langsam näher kam, lächelte wissend und nickte. Da schnellte plötzlich der Arm ihres dunklen Zwillings aus dem Spiegel hervor und packte sie grob am Handgelenk. Jenny schrie auf vor Schmerz. Hitze zuckte durch sie hindurch wie ein Stromschlag. Ihr wurde schwindelig, ihr Blick verschwamm. Energisch schüttelte sie den Kopf, riss an der Hand, die sie festhielt, bis diese endlich los ließ. Als sie wieder klar sehen konnte, war rund um sie nur noch Kristall. Draußen vor dem Spiegel standen er und ihre dunkle Seelenschwester, doch sie war darin gefangen.

Gläsern ist mein Sehnen und Trachten
     
    Seine Wut und Entschlossenheit hatten ihm wieder neuen Antrieb gegeben und so war es Armand gelungen, die Eisebene mit ihren erstarrten Grotesken hinter sich zu lassen. Eine Weile musste er sich durch ein neues Labyrinth kämpfen, bei dem er das Gefühl hatte, es ginge stetig bergab, bis seine Muskeln vor Überanstrengung zitterten. Ihm fehlte Nahrung, doch dieses neuerliche Labyrinth hatte einen Vorteil mitgebracht: Ratten! Unter Mobilisierung seiner verbliebenen Kräfte hatte er einige der Tiere gefangen und ihr bitteres, fahles Blut in seiner Kehle, das ihn wieder mit neuem Leben füllte, ihm ein erleichtertes Stöhnen entlockt. Eine karge Mahlzeit, die jedoch ihren Zweck erfüllte und ein Wonnegefühl in ihm auslöste, wie es nur lange Entbehrungen mit sich bringen. Die frische Energie berauschte ihn und die Wunde in seiner Seite begann sich endlich zu schließen. Vermutlich waren im ganzen gottverdammten Labyrinth nicht genug Ratten, um ihn wieder völlig herzustellen, doch sein neu gefasster Enthusiasmus und die kleinen Happen zeigten Wirkung. Ersteres verdankte er sicher auch Welodan. Mit der so gewonnenen Überzeugung, diese verdammte Folterkammer zu überstehen und Mel wiederzusehen, koste es was es wolle, schritt er um die nächste Ecke der verzweigten Gänge – und erstarrte.
    Vor ihm lag eine riesige Halle, die sich über mindestens fünf Stockwerte ausbreitete, geteilt durch einzelne Böden, alles aus Glas. Ein Blick nach unten verhieß nichts Gutes. Es ging etliche Meter tief hinab. Davon abgesehen war es fraglich, wie stabil die Böden sein mochten, und was unter dem tiefstgelegenen auf ihn wartete, konnte er von hier nicht erkennen. Im schlimmsten Fall ein Sturz ins Bodenlose, bei dem er sich alle Knochen brach.
    Misstrauisch setzte er einen Fuß auf den wenig vertrauenerweckenden Boden, doch der schien zu halten. Die Dunkelheit gewährte ihm nur wenige Meter Sicht in alle Richtungen und da alles durchsichtig war, fiel auch jede Schätzung schwer. Er machte schnell die Erfahrung, dass das Labyrinth sich vor ihm fortsetzte, wenn auch mit anderen Bedingungen.
    Anfangs war es noch leicht. Er tastete sich Stück für Stück an den Glaswänden voran. An einigen Stellen wurde es heller und er sah in Nebengängen weitere Ratten umherhuschen, machte sich aber keine Gedanken, wie er wohl zu ihnen gelangen konnte. Zeit-und Kraftverschwendung. Es knirschte unter seinen Füßen. Hier und da bekam der Glasboden Risse, doch noch hielt das Gebilde. Er musste sich sehr vorsichtig bewegen. Aber der anfangs breite Gang wurde zusehends schmaler. Bizarre Glasfiguren wucherten in den Weg wie Rosenranken, scharfkantig und garstig. Sie schnitten ihm in die Arme, ins Gesicht, in die Schenkel. Blut tropfte bald schon zu Boden, machte die Glasfläche rutschig und es schwerer, voranzukommen und das Gewicht so auf dem Boden zu verteilen, dass er nicht brach. Armand beschlich das Gefühl, der zerbrechliche Grund wurde immer dünner.
    Ein Zittern lief durch die Konstruktion, wuchs zu einem Beben an, bei dem Armand sich instinktiv an den Wänden abstützen wollte und sich die scharfen Kanten tief in die Handflächen trieb. Er keuchte,

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