Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)
eher, dass es damals wie heute mehr als ein Kind gab. Es war vor neunhundert Jahren vielleicht nur Glück, eine Fügung des Schicksals, dass er kein weiteres fand.“
Franklin musste das nicht genauer erklären. In früheren Zeiten waren sehr viele Menschen wegen solcher Fähigkeiten oder auch wegen eines sonderbaren Males getötet worden. Glückliche Fügung wollte ich dazu nicht sagen, auch wenn es die Welt vielleicht gerettet hatte.
„Ich werde umgehend Warren in den Aufzeichnungen aus dieser Epoche nachsehen lassen, ob es Hinweise auf Prozesse oder Morde an Frauen mit einem solchen Mal gab. Viel Hoffnung habe ich nicht, denn so was wurde eher selten aufgezeichnet. Das war zur Inquisition anders. Aber die erste Wende liegt weiter zurück.“
Ich hatte meine Zweifel, ob Warren sich derzeit darauf konzentrieren konnte, schwieg aber.
Der Gesichtsausdruck meines Vaters sprach deutlich, dass dies noch nicht alles war, was ihm auf der Seele lastete.
„Sag mir nicht, dass es noch schlimmer kommen kann, Dad. Ich überlege gerade, wie wir Jenny retten können. Mein Bedarf an weiteren Hiobsbotschaften ist gedeckt.“
Er rieb sich nachdenklich das Kinn. „Nun, ich überlege nur gerade, dass du ja Kaliste in Verdacht hast. Und ob Jennys Schwangerschaft damit irgendwie begründet werden kann.“
Ein eisiger Knoten bildete sich in meinem Magen. „Wie meinst du das?“
„Wenn sie tatsächlich mit Sylion unter einer Decke steckt und ein eigenes Interesse an Darkworld hat, das nichts mit Yrioneth zu tun hat, dann braucht vielleicht sie das Kind. Als Opfer oder als Gefäß. Und gar nicht Sylion für seinen Vater.“
„Ich kann mich geirrt haben, Dad. Immerhin spricht derzeit alles für Sylion und noch nichts für Kaliste.“ Es war eher eine Hoffnungmit der ich mich selbst beruhigen wollte.
„Oder eine Allianz zwischen beiden, bei der das Kind Sylions Lohn für ihre Hilfe ist. Wir dürfen nichts außer acht lassen. Yrioneth lebt, wozu sollte er einen neuen Körper brauchen? Da liegt die andere Variante näher.“
Mein Herz zog sich zusammen aus Sorge um Jenny und die Rolle, die sie womöglich spielen sollte. Kalistes berechnende Handlungen waren mir bekannt, es sah für Jenny nicht gut aus, wenn sie ihren Zweck erfüllt hatte.
„Das meinst du nicht wirklich.“
„Kaliste hat uns schon mehrfach hinters Licht geführt. Vermutlich öfter, als wir wissen. Und wenn sie ebenfalls ein Interesse an Darkworld hat aber mit Sylion zusammenarbeitet, wird sie entweder auch ihn reinlegen, oder aber sie ist gar nicht an Yrioneths Wiedergeburt interessiert, sondern will aus einem anderen Grund nach Darkworld. Und dann könnte Jenny ihr Schlüssel sein, nicht Sylions. Überleg doch mal. Sylion hat viele Aufträge erteilt, die miteinander zusammengefügt werden können. Aber ein Baby passt da nicht rein. Und dieser Josh sieht auch keinem ähnlich, der bei eurem Treffen war. Wovon zwei übrigens inzwischen tot sind und eine verschwunden, wie ich dich erinnern darf.“
„Außer Cyron Gowl. Dem Gestaltwandler.“
Er stieß mit einem klagenden Laut die Luft aus. Das hatte er übersehen. Mir wurde übel. Es passte tatsächlich ins Bild. Dann war es zwar kein Inkubus und die Sache mit dem Spiegel eher merkwürdig, aber immerhin gingen wir auch davon aus, dass Jenny etwas verschwieg oder anders schilderte.
„Gehen wir von beidem aus und überlegen, was wir tun können.“
Die Resignation in seiner Stimme traf mich tief. Die Furchen in seinem Gesicht wurden noch tiefer und seine Haut hatte eine aschfahle Färbung angenommen. Ich presste die Lippen zusammen, weil mir die Tränen kamen. So vielen meiner Lieben ging es schlecht und ich fühlte mich hilflos – machtlos, weil ich nicht wusste, wie ich ihnen helfen konnte. Ich atmete tief durch und schloss für einen Moment die Augen. Dann sah ich meinen Vater mit festem Blick an.
„Okay, konzentrieren wir uns auf das zentrale Problem. Wie können wir Jenny retten und das Kind …“ Töten klang so schrecklich bei einem Ungeborenen.
„Ich weiß, was du meinst. Und grundsätzlich stimme ich dir zu. Aber parallel sollten wir auch herausfinden, was sie eventuell sonst noch planen. Wir können es uns in diesem Fall nicht erlauben, ihnen auch nur einen einzigen Schritt Vorsprung zu lassen.“
„Dann solltest du über Luciens Angebot mit der Schriftrolle noch einmal ernsthaft nachdenken, Dad.“
Er hörte das nicht gern, aber er wusste, ich hatte recht. Und aus eigenem Stolz
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