Ruf des Blutes 5 - Erbin der Nacht (German Edition)
Königin gegenüber.
Ihm gingen die Dinge durch den Kopf, die er über sie wusste. Nicht viel und doch zu viel. Sie war böse, stand auf der falschen Seite.
„Oh, du hast keine gute Meinung von mir.“
Sie las seine Gedanken. Das erfüllte ihn mit Panik. Nicht denken, sagte er sich. Als Mensch hatte er gelernt, seine Gedanken zu verbergen. Mel hatte es ihm beigebracht. Jetzt war die Lektion wie weggewischt. Er konnte sich nicht mehr erinnern, wie es funktionierte.
Kaliste hob ihre Arme und schloss die Augen, Sekundenbruchteile später flutete die gesamte Macht der Vampirkönigin über ihn hinweg, durchtränkte jede Zelle, bis er glaubte, sein Körper würde zerplatzen. Er stand unter Strom, glühte, fror, wurde zusammengepresst und gleichzeitig auseinandergezerrt. Dabei empfand er keinen Schmerz, sondern etwas viel Beängstigenderes, das er nicht in Worte fassen konnte.
Eine kalte Klammer legte sich um seine Kehle, zog sich immer enger, bis er keine Luft mehr bekam. Sinnlos, sich einzureden, dass er keinen Sauerstoff brauchte. Seine Lungen rangen danach – vergebens.
Als er Sterne sah und sein Bewusstsein sich in Rauch und Nebel auflösen wollte, strömte kühle Luft durch seine Kehle. Auf seinem Mund lagen weiche Lippen, er kostete den eisigen Atem der Königin. Warren öffnete die Augen, sah alles nur verschwommen, doch ihr Gesicht war sehr nah. Zärtlich strich die Hand, die ihn eben noch gewürgt hatte, über seine Wange.
„Alle verlassen dich. Alle verraten dich. Ich kann dir helfen.“
Es klang verlockend. So einfach. Er wollte … aber es war eine Lüge!
Sein Blick klärte sich und die Kälte in ihren Augen gefror ihm buchstäblich das Blut in den Adern. Heftiger, als er es beabsichtige, stieß er sie von sich und suchte sein Heil in der Flucht. Er hätte wissen müssen, wie sinnlos das war.Kaliste schnitt ihm den Weg ab, lachte ihn aus, als er der Länge nach hinfiel, sich panisch auf den Rücken drehte und rückwärts auf allen vieren vor ihr davonrobbte.
„Ich will dir doch gar nichts tun. Warum hast du solche Angst?“ Sie schüttelte den Kopf und schürzte bedauernd die Lippen.
„Du bist eine falsche Schlange. Ich weiß, was du alles getan hast.“
Ihr Lachen hallte von überall her auf ihn ein. „Alles, was ich getan habe? Oh du Narr, du weißt gar nichts.“
Sie baute sich vor ihm auf, die Hände in ihre schmalen Hüften gestemmt und musterte ihn amüsiert. „Alles, was du weißt, haben sie dir gesagt. Melissa, Dracon, Franklin, Armand. Doch sie alle sind Lügner. Heuchler. Und das werde ich dir beweisen.“
Er hielt sich die Ohren zu. Nicht, weil er ihr nicht glaubte, sondern weil er noch vor wenigen Augenblicken ähnlich gedacht hatte. Warren kam sich wie ein Verräter vor. Was hatten sie nicht alles für ihn getan. Seine Freunde! Sie waren für ihn da gewesen, hatten ihm geholfen, ihn unterstützt, ihn gerettet, getröstet, aufgefangen. Er wollte diese Lügen nicht hören, mit denen Kaliste ihn zu vergiften suchte.
Ihr Ausdruck wurde sanfter. Sie kniete neben Warren nieder und legte ihre Hand auf seine Brust. „Glaube nicht, was sie oder ich dir sagen, Warren. Glaube nur, was du siehst. Frage sie, wie viel du ihnen bedeutest und mache dir selbst ein Bild, wie wichtig du ihnen bist. Dann werden wir sehen, ob sie deiner Loyalität würdig sind.“
Ich war auf dem Weg von Gorlem Manor zu unserer Wohnung, als ich spürte, dass mich jemand beobachtete. Es war ein Prickeln auf der Haut, als striche ein sachter Wind darüber. Ich blieb stehen, lauschte. War da ein Atmen? Ein Duft? Ein Herzschlag?
„Guten Abend, kleine Lady.“
Ich wirbelte herum, von der anderen Straßenseite schlenderte jemand auf mich zu. Da war doch eben noch niemand gewesen. Im Näherkommen erkannte ich den Sangui, dem ich bisher nur in Miami begegnet war. Er baute sich vor mir auf, und als ich ihn ansah, grinste er übers ganze Gesicht und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Wir haben uns beim letzten Mal nicht vorgestellt. Ich bin Blue. Und du: Melissa Ravenwood.“
„Sehr scharfsinnig erfasst. Und jetzt lass mich bitte vorbei.“
Er rührte sich keinen Millimeter. „Wir sollten reden.“
„Ich wüsste nicht, worüber. Ich soll den Gestaltwandler in Ruhe lassen und keine Fragen stellen, damit wir keinen Ärger mit deinem Orden bekommen. Genau das mache ich. Also warum sollten wir Grund haben, zu reden?“
Er runzelte verwundert die Stirn. „Hat dein Vater dir nichts gesagt?“
Daher wehte
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