Ruf des Blutes 5 - Erbin der Nacht (German Edition)
gerät. Darum bin ich hier, um das zu verhindern und sie weiterhin auf ihrem Weg zu halten. Alles andere ist mir egal.“
Saphyro nickte, doch sein Blick war besorgt. „Wie ich schon sagte,
sadeki
. Du spielst gefährliche Spiele.“
Alles war so verwirrend, seit sie nach London zurückgekehrt waren. In Rom hatte er sich wohl und sicher gefühlt. Die Sehnsucht nach dem Tod war so weit weg gewesen. Er fühlte sich nicht mehr allein und blickte mit Zuversicht in die Zukunft. Der Dämon war beherrschbar gewesen, zum ersten Mal seit seiner Geburt in die Nacht.
Doch jetzt hatte sich alles geändert. Das Mädchen im Park war der Anfang. Die Lust, die er dabei empfunden hatte, sie zu quälen – die Genugtuung, ihr Herz in Todesangst schlagen zu hören. Das hatte er schon einmal gefühlt, ganz zu Anfang. Es hatte ihn gequält und er war daran verzweifelt und schließlich zerbrochen. Stevens Versuche, ihm zu helfen, waren gescheitert, Melissa und Dracon hatten sich nicht für ihn und seine Ängste interessiert. Darum erschien ihm damals der Freitod durch die Sonne der einzig gangbare Weg.
Bei seinem Erwachen in Rom durfte er dann feststellen, dass er sich zumindest in Dracon getäuscht hatte. Seindunkler Vater kümmerte sich um ihn, pflegte ihn gesund. Er hatte sein eigenes Leben riskiert, um ihn zu retten. Das zeigte doch, wie viel er ihm bedeutete, oder nicht?
In Rom gab es keine Zweifel. In London häuften sie sich. Ging es ihm überhaupt um ihn? War er wirklich hergekommen, damit Warren wieder in die Gemeinschaft der Ashera zurückkehren konnte? Oder lag der Grund nicht eher in seinem eigenen Verlangen nach Melissa?
Es war Warren nicht entgangen, wie Dracon sie beim ersten Aufeinandertreffen im Club des PU angesehen hatte. Er hasste das Gefühl, ein Mittel zum Zweck zu sein.
Und Melissa? Egal war er ihr nicht, das zeigte ihre Reaktion bei seinem Anblick. Ihre Freude und Erleichterung war nicht gespielt, die Tränen echt.
Doch vor die Wahl gestellt, er oder der Orden, hatte sie sich für Letzteren entschieden. Franklin wollte ihn momentan nicht sehen. Warum, das verstand er nicht. Sie waren einander doch so nah gewesen. Wie Vater und Sohn. Hatte es mit ihrer letzten Begegnung zu tun, in der Nacht, bevor er sich umbringen wollte? Ja, er hatte Franklin angegriffen, und wenn Steven ihn nicht aufgehalten hätte, wäre Mels Vater jetzt vielleicht tot. Doch das war über ein Jahr her, er hatte sich verändert, war stärker geworden. Er hätte ihm wenigstens eine Chance geben können. Mel hätte ihm eine Chance geben müssen! Bei ihrem Besuch in Dracons und seiner Wohnung hatte sie sich kühl und reserviert verhalten. Es belastete sie, zwischen den Fronten zu stehen. Dennoch enttäuschte ihn, dass sie sich nicht mehr um ihn kümmerte. Wenigstens mal vorbeischaute oder nach ihm fragte. Und Dracon hielt sich auch zurück, ließ ihn ohne Fragen allein auf die Jagd gehen. Er wolle ihn nicht bevormunden, meinte er. Warren fühlte aber, dass mehr dahintersteckte. Dass Dracon froh war, wenn er ein paar Stunden allein sein konnte.
„Oh, der verlorene Sohn. Wie schrecklich.“
Warren zuckte zusammen, hob ruckartig den Kopf. Die trübsinnigen Gedanken stoben davon wie aufgescheuchte Vögel. Zurück blieb ein Gefühl von Bedrohung, aber auch Verlassensein. Es machte ihn erst ängstlich und dann wütend. Entschlossen ballte er die Hände zu Fäusten und straffte die Schultern.
Vor ihm stand eine Frau Anfang zwanzig mit langem schwarzem Haar und türkisfarbenen Augen. Warren glaubte sich erinnern zu können, dass er sie schon mal irgendwo gesehen hatte, doch ihm wollte nicht einfallen, wo. Ohne Furcht kam sie näher, umrundete ihn mit langsamen Schritten und musterte ihn von Kopf bis Fuß.
„Wie können die beiden nur so grausam sein?“, fragte sie. Ihre Stimme erschien ihm wie eine klare Bergquelle.
Er brachte noch immer kein Wort heraus, konnte nicht einmal einen klaren Gedanken fassen. Lag das an ihr?
„Weißt du, wer ich bin?“, fragte die Frau.
Warren schüttelte den Kopf, was ihr ein glockenhelles Lachen entlockte. „Na so was. Das könnte ich aber persönlich nehmen.“
Sie neigte ihren Kopf zur Seite und lächelte ihn an. Warum lief es ihm kalt über den Rücken? Er wich zurück, doch hinter ihm war eine Hauswand. Ihrer Mimik war zu entnehmen, dass sie dies so beabsichtigt hatte.
„Ich bin deine Mutter. Euer aller Mutter. Ohne mich gäbe es keinen von euch.“
Warren schluckte. Kaliste! Er stand der
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