Ruf des Blutes 5 - Erbin der Nacht (German Edition)
wir kommen im Großen und Ganzen gut miteinander klar.“
Was redete er da? Und warum lockte er mich her in gespielter Todesangst, wenn er mir dann eine Waffe vor die Nase hielt?
„Warren, was soll das? Wo ist Kaliste?“
Er zuckte die Achseln. „Ich weiß es nicht. Hoffentlich weit weg.“
„Dann hat sie dich gar nicht verfolgt?“
Ein verschlagenes Grinsen trat auf seine Züge. „Nicht heute, aber neulich. Ich hatte wirklich eine Scheißangst vor ihr.“
„Wie bist du entkommen?“
Vielleicht gewann ich Zeit, wenn ich ihn in ein Gespräch verwickelte. Ich musste ihn überzeugen, mir die Waffe zu geben. Was war das überhaupt für ein Ding?
Warren hörte meine Gedanken, warf einen kurzen Blick auf die Pistole. „Ein hochmodernes Ding. Kaliste hat auch so eine, soweit ich weiß. Es ist für uns nicht ganz einfach, sie einzusetzen, denn das Elektrum von den Kugeln spürt man durch die ganze Waffe hindurch. Aber solange man die Patronen nicht anfasst, ist es erträglich.
Ich stieß keuchend den Atem aus. Allmählich wuchs die Angst in mir, griff mit kalten Fingern nach meinem Herz. Nicht nur, weil ich womöglich meinem Tod gegenüberstand, sondern vor allem, weil es einer meiner Vertrauten war, der ihn mir bringen wollte. Das hätte ich nie von Warren gedacht. Er war so sanft, so korrekt und besonnen. Ein tougher Agent, der in seinem Job aufging, ein wissbegieriges Mitglied des Ordens und ein sehr verletzlicher Vampir. All das war Warren. Aber kein kaltblütiger Mörder.
„Kaliste hat mich laufen lassen. Sie wollte mich nicht töten, mir nur die Augen öffnen. Ich habe viel darüber nachgedacht, was sie mir gesagt hat. Über Lügen und Heucheleien. Was es heißt, Mittel zum Zweck zu sein. Denn momentan bin ich nur das, und so was ist kein schönes Gefühl.“
„Wovon redest du, verdammt noch mal? Du bist für niemanden Mittel zum Zweck, außer vielleicht für sie, wenn du mich jetzt abknallst. Damit nimmst du ihr nämlich die Arbeit ab.“
Ich blickte von der Mündung zu seinem Gesicht und wieder zurück. War ich schnell genug, auszuweichen, wenn er den Schuss abfeuerte?
Sein bitteres Lachen versetzte mir einen Stich. „Ja, ja, die Schicksalskriegerin. Ich weiß. Das tut glaub ich jeder inzwischen. Alle setzen ihre Hoffnung in dich, zumindest diejenigen, die es interessiert. Keine Ahnung, wie viele das sind. Ist aber auch egal. Du bist die Heldin, wie immer. Der strahlende Stern in unserer Mitte, um den wir alle kreisen.“
Sein Sarkasmus verletzte mich mehr, als wenn er mich nur gehasst hätte für das, was ich ihm angetan hatte. „Wirfst du mir das vor?“ Ich fühlte Tränen in meiner Kehle aufsteigen. „Denkst du, ich habe mir das freiwilligausgesucht? Ich kann gut darauf verzichten, mein Leben lang gegen Kalistes Intrigen anzukämpfen, weil sie die Welt unter ihre Herrschaft zwingen will wie ein größenwahnsinniger Diktator. Drei Mal habe ich sie jetzt schon aufgehalten. Zwei Mal mit deiner Hilfe. Ich bin es müde, Warren. Ich habe eine scheiß Angst davor, mich ihr entgegenstellen zu müssen – auf Leben und Tod. Aber ich verliere allmählich die Kraft für diese Heckenkämpfe.“
„Dann wird die Kugel eine Erlösung für dich sein“, gab er zurück.
Er war wahnsinnig. Auf eine andere Art als jemand, der nicht stark genug für den Blutdämon war, aber wahnsinnig.
„Warum?“ Wenn er mich schon tötete, wollte ich zumindest den Grund wissen.
„Ist das so schwer zu erraten? Ich kann nicht allein sein, die Kraft habe ich nicht. Aber solange du lebst, werde ich für Dracon nie mehr als ein nützliches Anhängsel sein, mit dem er die Verbindung zu dir hält. Wenn du tot bist, bin ich die einzige Erinnerung, die ihm an dich bleibt. Dann wird er mich nie verlassen und mich allein lieben.“
Mir blieb die Luft weg. Er wollte mich aus Eifersucht töten?
Während ich fieberhaft überlegte, was ich ihm darauf antworten, wie ihn umstimmen konnte und dabei jeden Moment mit dem Klacken des Abzugs rechnete, schoss unerwartet ein Schatten hinter der Leinwand hervor und riss Warren von den Beinen.
Ich war gelähmt vor Schreck, sah die Waffe über den Boden schlittern und irgendwo zwischen den Sitzreihen verschwinden. Der Angreifer sprang wieder auf und zerrte Warren hoch. Wie eine Schraubzwinge lag einer seiner Arme um Warrens Brustkorb, der andere über der Kehle. Der Griff war unerbittlich. Egal wie Warren sich wand, Dracon fixierte ihn, sein Blick eine Mischung aus Kälte und
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