Ruf des Blutes 5 - Erbin der Nacht (German Edition)
Haut des Unsterblichen. Er brauchte drei Anläufe, bis er Epidermis und darunterliegende Muskeln durchtrennt hatte. Die Knochenschere knirschte, als er die Rippen aufbrach, aber immerhin hielt sie.
Scheppernd fiel das Instrument auf die Überreste des Materialwagens. Steven ignorierte das Pulsieren des Elektrums an seinen Fingern, die getränkt vom Blut des Verwundeten bereits taub wurden. Er riss die Rippen mit bloßen Händen auseinander. Jessi hielt den Sauger in die Wunde, um für bessere Sicht zu sorgen. Thomas, kreidebleich, hielt den Blick auf das klaffende Loch. Das Licht der Neonröhre fing sich in einem Stück Metall. Er packte mit der Zange zu und zog es heraus. Dass tatsächlich ein Stück vom Lungenflügel daran haftete, faszinierte ihn eher, wenn Steven seinen Gesichtsausdruck richtig deutete.
„Okay. Adrenalin, fünfzig Milligramm. Thomas, schnell!“
Die Zange fiel zu Boden. Mit zitternden Fingern zog der Chirurg das Medikament in eine Spritze. Jessi war unterdessen dabei, die Elektronik der Tür wieder in Kraft zu setzen. Als sie eine Minute später zurückkam, hatte sie eine Blutkonserve dabei, die sie dem Vampir anlegte. Steven hätte sie am liebsten heiliggesprochen. Sie sollte Ärztin werden, nicht nur Krankenschwester. Aber sie hatte ihm mal gesagt, als Schwester bekäme man mehr Männer ab.
Eine halbe Stunde massierte Steven den offenen Herzmuskel. Jessi holte noch zwei Blutkonserven. Thomas saß, da er nicht mehr akut gebraucht wurde, auf einem Schemel und starrte entgeistert auf das Geschehen. Die improvisierten Klammern hielten den regelmäßig aufflackernden Befreiungsversuchen stand. Endlich öffnete der Vampir die Augen, holte tief Luft, wodurch eine Fontäne Blut aus seiner Brust geschleudert wurde und Steven ins Gesicht traf.
Er ließ das Herz los, brachte die Rippen wieder einigermaßen in Position und trat vom Behandlungstisch zurück. Jessi reichte ihm ein Tuch, mit dem er sich Hände und Gesicht abwischen konnte. Seine Finger krampften, er fragte sich, wie er überhaupt so lange durchgehalten hatte. Jetzt spürte er sie fast nicht mehr. Für Thomas wäre das einfacher gewesen, aber er hatte auf keinen Fall riskieren wollen, seinen Geliebten in Gefahr zu bringen. Falls sich ihr Patient losgerissen hätte, wäre Thomas erst mal wehrlos gewesen.
Das Blut in seinem Gesicht zeigte keine Wirkung mehr auf seiner Haut. Ein gutes Zeichen, dass die Elektrumkonzentration zurückging.
„Gute Arbeit, ihr beiden“, sagte er zu seinem Team und wandte sich an den Vampir auf der Liege. „Hey Mann, alles klar?“
Das Sprechen fiel dem Patient noch schwer, aber er nickte und versuchte ein Lächeln. Steven löste die Fesseln. Eine halbe Stunde später war von der Verletzung nur noch eine breite, wulstige Narbe zu sehen. Die Schwellungen der allergischen Reaktion gingen rasch zurück, nachdem Steven und Jessi ihren Artverwandten hatten trinken lassen.
Der Vampir drehte seinen Kopf in Thomas Richtung.
„Danke“, krächzte er.
Er hatte alles mitbekommen, gefangen im eigenen Körper. Dass ihm mal ein Mensch das Leben retten würde, hätte er sicherlich niemals erwartet.
„Kannst du dich erinnern, was passiert ist?“
„Ich war auf der Jagd. Da stand sie plötzlich vor mir. Sagte was von einem Test. Danach gingen bei mir die Lichter aus.“
Steven spürte, wie sich ihm die Nackenhaare aufstellten. „Sie?“
„Eine andere Vampirin. Sehr alt, das hat man gemerkt. Schwarze Haare. Und ihre Augen … blau und kalt wie zwei Türkissteine.“
„Shit!“
„Was ist?“, wollte Thomas wissen. „Weißt du, wer das war?“
„Ja“, sagte Steven. „Kaliste. Unsere Königin. Weiß der Teufel, wie sie an diese Waffe gekommen ist.“
Stevens Mail machte unsere schlimmsten Albträume wahr. Kaliste war nun nicht nur im Besitz einer Waffe, die Elektrumkugeln abfeuern konnte, sondern auch von entsprechender Munition. Blue beteuerte, dass er damit nichts zu tun hatte. Mir wäre lieber, er hätte sie ihr gegeben, denn wenn er es nicht war, blieben nur zwei Möglichkeiten. Jemand anderes aus dem Orden der Lux Sangui versorgte sie damit, oder sie hatte herausgefunden, wie man die Kugeln selbst herstellte. Letzteres war das Schlimmere – und Wahrscheinlichere.
Unter diesen Umständen wollten wir die Reise auf jeden Fall vorziehen. Armand versuchte, über Alwynn Kontakt zu Raphael aufzunehmen, damit er Schattenjäger informierte, dass wir bereits morgen aufbrachen. Franklin und ich warteten
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