Ruf des Blutes 5 - Erbin der Nacht (German Edition)
Sternenzelt?
„Der Himmel der Unterwelt“, erklärte Blue. „Das Pendant zu eurem über der Erde. Komm.“
Er schien den Weg zu kennen, was mich wieder misstrauisch machte. Durch einen Säulengang gelangten wir in eine Halle aus weißem Marmor mit einem Brunnen in der Mitte, von dessen Rand Delphine Wasserfontänen spuckten. Ich wusste nicht, wie ich mir die Unterwelt vorgestellt hatte, aber so garantiert nicht. Vor allem nach dem Weg durch die ersten drei Tore. Wir schritten auf eine goldene Tür zu, die von zwei Ghanagoul-Wächtern flankiert wurde. Ich spannte mich automatisch wieder an. Meine Brust war wie zugeschnürt. Aber zu meiner Überraschung traten sie beiseite, öffneten die Flügeltüren und ließen mich ein. Blue blieb draußen.
„Willkommen, Melissa, Kind der Kaliste.“
Ein stattlicher Mann mit breiten Schultern, schwarzem Haar und türkisfarbenen Augen erhob sich von seinem Thron. Ich kannte ihn aus der Vision, die Tizian mir geschenkt hatte. Das war also Magotar. In natura noch beeindruckender.
„Dir wird kein Leid geschehen. Du bist von meinem Blut. Viele Generationen alt. Aber immer noch ist es mein Blut.“
„Ich danke dir.“
„Dafür musst du nicht danken. Ich töte keine Mitglieder meiner Familie, das ist alles. Ansonsten wärst du nichtbis hierher gekommen. Und dein Freund, der Dolmenwächter, auch nicht.“
Besonders freundlich war Magotar nicht gestimmt. Ich schluckte den Hinweis hinunter, dass seine Garde sich nicht um mein Blut geschert hatte und ich es nur dem Dolmenwächter verdankte, hier zu sein. „Weißt du auch, warum ich hier bin?“
Er schmunzelte. „Aber sicher. Die Schicksalskriegerin. Wenn die Prophezeiung des Orakels stimmt. Immerhin war sie nur ein Mensch.“
„Wenn du mir nicht hilfst, werden wir es nicht erfahren.“
„Zweifelst du an meiner Hilfe?“
Was für eine Frage, ich wollte seine Tochter töten. Er dehnte seine Macht um sich herum aus, berührte mich damit aus der Ferne, ließ sie mich schmecken und spüren, damit ich wusste, mein Leben hing am seidenen Faden, trotz seines Wortes.
„Sie ist deine Tochter. Ich kann nicht erwarten, dass du mir hilfst.“
„Wenn du zweifelst, hättest du dir den Weg sparen können.“
Er lächelte. Es wirkte ebenso kalt wie das seiner Tochter. In dieses Wesen hatte sich die Prinzessin von Atlantis verliebt? Entweder besaß er noch eine andere Seite, die er mir nicht zeigte, oder er hatte sie mit derselben Verführungskunst zu sich geholt, über die seine Erben jetzt verfügten.
„Ich bin nicht zufrieden mit meiner Tochter und dem, was sie tut“, gestand er. „Ich habe oft versucht, ihr einen Riegel vorzuschieben. Und genauso oft habe ich mich bemüht, ihr Handeln auszubremsen oder ungeschehen zu machen. Aber sie gibt nicht auf. Vielleicht ist es an der Zeit, dass jemand sie in ihre Schranken weist. Ich finde es nur lächerlich, dass ein junger Vampir sie aufhalten soll. Dass dir gelingen soll, woran ich scheitere.“
Na ja, im Gegensatz zu ihm wollte ich sie umbringen. Das hatte er wohl noch nicht versucht. Aber das sagte ich nicht.
„Wenn es einer der Ältesten wäre, das könnte ich verstehen. Aber du?“ Er sah spöttisch auf mich herab und schüttelte den Kopf.
„Ich bin es aber nun mal offenbar. Mir gefällt es so wenig wie dir, doch ich bin bereit, die Aufgabe anzunehmen. Mit oder ohne deine Hilfe. Mit wäre mir allerdings lieber.“
Er lachte, dass ich so ehrlich war. Ausgerechnet ihm gegenüber. Aber das respektierte er. „Es gibt kaum etwas, das einen Vampir ihres Alters töten kann“, erklärte er. „Die Jungen sterben, wenn sie mit Feuer in Kontakt kommen. Oder mit Elektrum.“ Er lauerte auf eine Reaktion, ich war nicht bereit, sie ihm zu geben. Aber er wusste auch so, was hinter dem dritten Tor geschehen war. „Du hast viel altes Blut getrunken. Auch von meinen beiden Kindern. Sonst hättest du den Morgenstern niemals überlebt.“
Ich nickte nur stumm, wartete darauf, dass er weitersprach. Das alles interessierte mich nicht, ich wollte nur wissen, wie ich Kaliste besiegen konnte.
„Bei den Alten ist das schwieriger. Mit jedem Jahr werden sie immuner. Selbst Sonnenlicht kann sie nur verletzen, Elektrum lediglich lähmen. Sie sind wirklich zur Unsterblichkeit verdammt. Es sei denn …“ Er machte erneut eine Pause und weidete sich daran, wie viel Überwindung es mich kostete, Ruhe zu bewahren und ihm zuzuhören. „Stößt man ihnen eine reine Klinge ins Herz, hört es auf zu
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