Ruf des Blutes 5 - Erbin der Nacht (German Edition)
er seitdem nicht mehr derselbe war. Und nun fügte sich die Erkenntnis hinzu, dass er dies auch für andere nicht mehr war. Sie sahen etwas in ihm. Mir entgingen nicht die Blicke, die ihm im Untergrund zugeworfen wurden. Ehrfurcht, Respekt, Bewunderung. Bei manchen Angst. Wenn ich genau darüber nachdachte, musste auch ich zugeben, dass er etwas ausstrahlte, dem man sich nicht entziehen konnte. Es erfüllte ihn, flutete durch ihn hindurch. Sein Herzschlag hatte einen anderen Klang, die Macht des Blutdämons sich verändert in einer Weise, die mir unerklärlich war. Und dann die Tatsache, dass er nach seiner Rückkehr binnen weniger Tage so problemlos und intensiv mit Welodan kommunizierte wie in dem ganzen Jahr zuvor nicht. Ich hatte das darauf zurückgeführt, dass er sich erstmals wirklich dafür interessierte und sich von mir anleiten ließ, doch wenn ich ehrlich war, hatten meine theoretischen Erklärungen nicht das Geringste damit zu tun. Die beiden waren zu einer Einheit verschmolzen, die inzwischen sogar weit über dem lag, was mich und Osira verband.
Meine Wölfin war stehen geblieben und winselte leise. Als ich mich umdrehte, setzte sie sich auf die Hinterpfoten und sah mich unschlüssig an. Gerade noch gefangen in meinen eigenen Gedanken, erkannte ich, dass diese sie verletzten. Mit einem wehmütigen Lächeln ging ich auf sie zu, kniete mich zu ihr auf den Boden und vergrub mein Gesicht und meine Hände in ihrem dichten Fell. Tränen schnürten mir die Kehle zu, ohne dass ich einen bestimmten Grund hätte nennen können.
„Es tut mir leid, Osira.“
Meine Wölfin leckte mir das Gesicht. Aber zum ersten Mal, seit wir uns begegnet waren, schwieg sie, als sei sie nur ein gewöhnliches Tier, das mit Gesten sprach statt mit Worten.
Oh kaltes Grab aus Staub und Stein
W oher diese Hexe wusste, dass er in London war, konnte Blue nur ahnen. Da er immer noch keine Spur von Cyron hatte, schloss er nicht aus, dass dieser Kontakt zur Vampirkönigin aufgenommen hatte, um sie milde zu stimmen. Nach seinem plötzlichen Verschwinden und dem noch immer ausstehenden Abschluss eines vom Gestaltwandler versprochenen Deals war sie vermutlich nicht allzu gut auf Cyron zu sprechen. Auf Blue allerdings ebenso wenig. Der Unterschied bestand darin, dass er Kaliste nicht fürchtete, während Cyron die Hosen voll hatte. Dumm, dass dies nur sprichwörtlich war, sonst hätte er ihn leicht aufspüren können.
Genervt zerknüllte er den Zettel, den er von seiner Wohnungstür gerissen hatte. Leichtsinnig war seine Kundin auch noch. Wie konnte man in der heutigen Zeit offen über einen Waffendeal schreiben und die Nachricht in einem Umschlag von außen an die Haustür kleben? Ein Wunder, dass noch nicht MI5, MI6 und die CIA das Haus umstellten.
Er rechnete damit, dass sie oder einer ihrer Spione sein Heim beschatteten. Zwar dürfte es sie nicht kümmern, wenn man ihn schnappte, weil sie selbst unerreichbar für die weltliche Polizei war, doch dann würde auch die Waffenlieferung in unerreichbare Ferne rücken. Und so schnell ließ sich gewiss kein Ersatz auftreiben. Von den mysteriösen Anschlägen einmal abgesehen, gab es niemanden außer ihm, der diese Waffen besorgen konnte.
Anfangs hatte er noch damit gerechnet, dass ihm jemand das Geschäft streitig machen wollte. Doch es gab keine Angebote auf dem Markt des PU. Also setzte, wer auch immer noch im Besitz dieser Dinger war, diese nur für den Eigengebrauch ein. Was wiederum einen deutlichen Hinweis gab, dass man nicht allzu viele besaß. Kein Grund also, sich über Konkurrenz Sorgen zu machen.
Was ihn viel mehr beschäftigte, war das Risiko, dass Kaliste nicht nur seine Wohnung beobachtete, sondern auch ihn selbst. Gut, er konnte seine Besuche in Gorlem Manor rechtfertigen, zur Not auch vor ihr. Mit einer kleinen Notlüge – nein, eher einer Halbwahrheit. Lüge klang so ungezogen. Aber man verstrickte sich leicht, weshalb er vorzog, darauf zu verzichten, egal wie man es nannte.
Blue zog die Vorhänge zu, um zu verhindern, dass man das Aufleuchten des Tores draußen sah. Man konnteschließlich nie wissen, was für ein Gesocks sich da herumtrieb, das äußerst interessiert an einem Dolmentor wäre.
Die Platzierung im Wandschrank war nicht die perfekte Lösung, aber zumindest ein zusätzlicher Puffer. So schnell stolperte keiner versehentlich da rein. Jedenfalls nicht, solange er diese Wohnung gemietet hatte. Das Tor leuchtete, als er den Fuß hineinsetzte und im nächsten
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