Ruf des Blutes 5 - Erbin der Nacht (German Edition)
schließen, die ihn schmerzte, indem er sie dazu brachte, ihn zu verwandeln, zu einem Teil von ihr zu machen, schlug fehl. So fehl, dass er das Interesse verlor. Er brauchte nicht Warren, wollte ihn nicht. Er sehnte sich nach Mel, benutzte ihren gemeinsamen dunklen Sohn nur, um ein Bindeglied zu ihr zu haben – das sich als wenig nützlich erwies. Es war somit … entbehrlich.
Der Gedanke kam plötzlich, schwamm in der trüben Gefühlslache in seinem Inneren und ging schließlich unter. Lebte nicht lang genug, um in Erwägung gezogen zu werden.
„Was machst du?“
Er drehte sich ertappt zu Warren um. „Nichts.“
„Warum stehst du am Fenster?“
Dracon rang sich ein Lächeln ab. „Ich genieße die milde Nachtluft. Atme den Duft der Londoner Bevölkerung.“
Warren verzog missmutig die Mundwinkel. „Lass uns nach Rom zurückkehren“, bat er leise, ohne Überzeugung in der Stimme.
In seinen Augen spiegelte sich für Sekundenbruchteile die Gier, die er bei der kleinen Französin gezeigt hatte. Dracon wollte sich darüber freuen, tatsächlich aber versetzte es ihm einen Stich. Er seufzte, ging auf Warren zu und nahm ihn in die Arme. „Noch nicht, mein Liebling. Wir bleiben noch eine Weile hier.“
„Warum? Wegen ihr?“
Hörte er Eifersucht in seiner Stimme? Er hielt Warren auf Armeslänge von sich und sah ihm prüfend ins Gesicht. „Wegen der Unruhen. Es ist sicherer, hierzubleiben.“
„Lucien ist in der Stadt“, entgegnete sein Liebster.
Dracon runzelte die Stirn. Er hatte die Anwesenheit des Lords ebenfalls gespürt, weil Lucien es bei seiner Ankunft geradezu darauf angelegt hatte. Doch warum sagte Warren das jetzt? Was für eine Rolle spielte das?
„Liebst du ihn noch?“
Er schnappte nach Luft. „Was soll die Frage?“
„Warum antwortest du nicht einfach?“
Dracon hob den Finger und wollte Warren schon zurechtweisen, eine Frage nicht mit einer Gegenfrage zu beantworten, als ihm auffiel, dass er selbst nichts anderes getan hatte. „Das ist nicht so einfach“, sagte er schließlich und kehrte zum Fenster zurück.
Warren nickte und drehte sich um. Aus den Augenwinkeln sah Dracon, wie er zum Sideboard im Flur ging, dieoberste Schublade aufzog und ein kleines Messer mit gebogener Klinge hervorholte, das große Ähnlichkeit mit einem Skalpell hatte. Er wollte auf die Jagd. Auch das war ein wachsendes Problem. Warren tötete jede Nacht, und die Art und Weise, wie er seine Leichen zurückließ, brachte sie beide in Gefahr. Dracon räumte den Müll weg, beseitigte, was sein Jünger übrig ließ, damit niemand sie entdeckte. Er musste daran arbeiten, ihm beibringen, wo die Grenzen waren und vor allem, wie man Spuren verwischte. Seine Mordlust in allen Ehren, auch seinen Sadismus konnte Dracon noch ertragen, doch wer jagte, hatte auch dafür zu sorgen, dass die Reste entsorgt wurden.
Warren kümmerte gar nichts. Er war mürrisch, wollte weg und fühlte sich wie ein gefangenes Tier, weil sein dunkler Vater diesem Drängen nicht nachgab, er aber auch noch nicht auf eigenen Beinen stehen konnte. All das entging Dracon nicht, aber er brachte es nicht über sich, London und Mel schon wieder zu verlassen.
Verdammt, was erhoffte er sich eigentlich von ihr? Er hatte ihr Warren als Geschenk gebracht. Geglaubt, damit Eindruck schinden zu können, dass er ihm das Leben gerettet, ihn gesund gepflegt und in den Schoß der Familie zurückgebracht hatte. Das war der Plan gewesen. Inzwischen war diese Tatsache auch Warren bewusst, was seine Übellaunigkeit erklärte. Dracon sah auch keinen Grund, ihn anzulügen und es abzustreiten. Ihm war es immer nur um Mel gegangen.
Trotzdem liebte er Warren. Das war nicht geheuchelt. Er begehrte ihn, wollte in ihm einen ebenbürtigen Gefährten haben. So wie es aussah, war ihm dies mehr als gelungen; dumm nur, dass er inzwischen kein Verlangen mehr danach hatte, seine Opfer zu quälen. Das war ihm bei der kleinen Französin klar geworden. Diese Jagd und der Tod des Mädchens waren sein größter Fehler gewesen. Es hatte Warren zu dem kaltblütigen Jäger gemacht, was zunächst auch so angedacht war. Warren konnte nichts dafür, dass Dracon seine Meinung änderte und dieser Weg nicht mehr der seine war. Er tat nur das, was Dracon ihm vorgelebt hatte. In der prägendsten Jagd seines frühen Vampirlebens.
Mit einem Seufzer stieß sich Dracon von der Fensterbank ab und strich Warren im Vorübergehen über die Brust. Er rührte sich nicht, blieb kalt und hart wie Stein.
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