Ruf des Blutes 5 - Erbin der Nacht (German Edition)
Keine Leidenschaft, die kam jetzt erst mit dem Blut. Warum, konnte sich Dracon nicht erklären, außer, er gestand sich ein, dass Warren ihn zu hassen begann. Der Gedanke erschreckte ihn, verletzte ihn. Abrupt blieb er stehen und legte seine Hand auf Warrens Schulter.
„Sei ehrlich, hasst du mich?“
Warren zuckte zusammen. Wie in Zeitlupe drehte er sich zu ihm, sah Dracon aus weit aufgerissenen Augen an. „Nein!“ Er stieß das Wort mit solcher Vehemenz aus, dass Dracon zwischen Erleichterung und Zweifel schwankte. Meinte er es wirklich ernst, oder fühlte er sich nur ertappt? „Wie kannst du so etwas glauben? Ich liebe dich.“
„Du ziehst dich zurück, seit wir in Gorlem Manor waren. Gibst du mir die Schuld daran?“
Warren sah betreten zu Boden. „Nein. Aber es tut weh“, gestand er.
Der Schmerz in seinen Augen, der rote Schimmer von Tränen, rührten Dracon ans Herz. Er nahm seinen dunklen Sohn in die Arme und hielt ihn schweigend fest. Er hatte kein Recht, ihm das anzutun. Ihn zur Spielfigur zu machen, mit der er den Sieg erringen wollte. Genau das tat er, und so sehr er es bedauerte, er konnte es nicht ändern.
„Ich tue alles, was du willst, versuche, so zu sein, wie du mich lehrst, aber ich habe das Gefühl, es ist nie genug.“
Dracon schüttelte den Kopf und küsste ihn auf den Mund. „Rede nicht so. Ich weiß im Moment manchmal selbst nicht, was ich will. Was ich von dir erwarte. Setz dich nicht dem Druck aus, mir gefallen zu wollen. Ich werde dich nicht verlassen, davor brauchst du keine Angst zu haben.“
Er blickte auf das Messer in Warrens Hand. Würde er es jemals gegen ihn richten? Der Gedanke war absurd und Dracon schüttelte den Kopf, um ihn zu vertreiben. „Wollen wir gemeinsam jagen heute Nacht?“ Sein Schützling nickte und sein Gesicht erhellte sich wieder. Er fühlte Wärme in seiner Brust, dass Warren es nicht ablehnte. Vielleicht bildete er sich die Kluft zwischen ihnen auch nur ein, weil sich manche Dinge nicht so entwickelten, wie er es gerne gehabt hätte. „Dann lass es hier. Wir brauchen es nicht.“
Warren sah auf das Skalpell, als wäre ihm bis jetzt noch gar nicht aufgefallen, dass er es in der Hand hielt, machte jedoch keine Anstalten, es wegzulegen. Vorsichtig nahm Dracon es ihm ab. Da war es wieder, das unruhige Flackern in den Augen. Als hätte er den drohenden Wahnsinn doch noch nicht völlig überwunden. Oder rührte es nur von seinen Erinnerungen – an die Flammen, die Schreie, das Blut? Mel hatte gesagt, er sei nicht dafür geschaffen, er war anderer Meinung gewesen. Ein Fehler? Der Eindruck verflüchtigte sich und Warrens Blick wurde wieder völlig klar. Völlig normal; er war noch sehr jung, hatte schon viel mitgemacht. Nach seiner Geburt in die Nacht hatten sie alle viel versäumt, ihn nicht geleitet. Das hinterließ Spuren, doch er würde sie auslöschen. Und mit der Zeit würde man sie beide auch in Gorlem Manor nicht mehr als Bedrohung sehen.
Dracon fühlte Hoffnung. Darauf, dass am Ende alles gut wurde. Obwohl da auch die Ahnung einer drohenden Wolke war, die Unheil über sie alle bringen konnte.
Auch wenn es mich eher nach Gorlem Manor zog, um in den Büchern weiter nach Anhaltspunkten zu suchen, begleitete ich Armand am frühen Abend zu seinem Treffen mit Alwynn und Rugo. Zum einen interessierte mich natürlich, welche Neuigkeiten sie für uns hatten, zum anderen wollte ich es nicht wieder so weit kommen lassen, dass Armand und ich überwiegend getrennte Wege gingen. Es war ein Kompromiss. Nach Gorlem Manor konnte ich später noch gehen. Ash brauchte sicher einige Tage, um die Übersetzung anzufertigen, die ein unerlässliches Puzzlestück darstellte.
Armand war inzwischen beim Treffpunkt gern gesehen, und auch ich fasste langsam Vertrauen zu den Leuten. Alwynns betrübtes Gesicht verriet jedoch nichts Gutes. Was kam nun schon wieder?
„Es gehen Gerüchte um wegen der Anschläge. Man erzählt sich, dass man dich mit dem Waffenmeister der Sangui gesehen hat. In Miami und auch hier“, erklärte er mir.
Mir blieb der Mund offen stehen. Ich konnte nicht einmal meine Entrüstung äußern, so sprachlos war ich.
„Wer hat sie gesehen?“, hakte Armand nach.
Natürlich steckte Cyron dahinter, um von seinem eigenen Kontakt zu den Sangui abzulenken. Dieser erbärmliche Feigling. Aber auch andere Stimmen sprachen davon. Hinzu kam meine Vergangenheit. Ich war schon einmal losgezogen, um zu töten. Jeder wusste, was ich unter den Crawlern
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