Ruf des Blutes 6 - Wolfspakt (German Edition)
Held sein.“
Das wirst du, Kleiner, dachte Blue. Für mich bist du es schon.
Dusty war noch zittrig auf den Beinen, aber er hielt sich tapfer. Blue bewunderte seinen Abenteuersinn. Um ihn nicht unnötig zu gefährden, schickte Blue zwei Dolmenwächter vor, um die Lage auszukundschaften und den bestmöglichen Ort nahe der Zentrale zu suchen, an den er Dusty bringen konnte. In ihren traditionellen Gewändern verschmolzen sie vollkommen mit ihrer Umgebung, sodass niemand sie bemerken würde. Mit dem Jungen durchs halbe Gebäude zu rennen hielt er für eine schlechte Idee. Wie viele Lycaner oder sonstigen Schergen Domenikos hier drin waren, würden sie auf die Schnelle wohl nicht in Erfahrung bringen, darum musste er das Risiko möglichst gering halten.
Mit den anderen Wächtern, die sie begleiteten – darunter auch Nasri, die unbedingt ihren Fehler wiedergutmachen wollte – warteten sie in sicherer Deckung. Die Späher kamen bald zurück.
„Nach einem normalen Gebäude sieht das nicht aus. Eher wie ein Tempel. Viele große, hohe Räume, Innenhöfe, Kellergewölbe. Nur wenige Schlafkammern. Die sind dafür aber winzig.“
„Sie haben noch einen Hacker. Der Mann sitzt in einer Kammer und sieht nicht gut aus. Es geht ihnen wohl nur darum, jemanden zur Hand zu haben, wenn es Probleme gibt. Also halten sie ihn am Leben. Aber er ist übel zugerichtet.“
Blue hasste es, wenn Straßenköter auch noch über Weitsicht verfügten. „Wie viele Leute haben sie in der Zentrale und in deren direkter Umgebung?“
Beide Wächter waren bis zum Steuerungsraum gekommen, der früher ein Hauptgebetssaal gewesen war. Der beste Ort, um Dusty hineinzubringen, befand sich mehrere Gänge und quer über einen Innenhof entfernt in einer Art Lagerraum. Nicht appetitlich, mit der Art von Vorräten, die dort unterbracht waren. Auf dem direkten Weg zwischen beiden Punkten mussten sie mit zwanzig bis dreißig Lycanern und Gestaltwandlern rechnen, die versuchen würden, sie aufzuhalten.
„Wir haben es nicht gewagt, bereits Wachen auszuschalten, aus Sorge, dass ihr Verschwinden die anderen vorzeitig alarmieren könnte.“
Blue rieb sich das Kinn. „Dreißig Leute? Wir sind acht. Nicht einfach, aber machbar. Wir müssen darauf achten, dass es keinen Lärm gibt. Je länger wir unentdeckt bleiben, umso besser.“
In dem Lagerraum waren sie sicher, auch wenn Dusty sich beim Anblick der Leichen in unterschiedlichen Stadien der Verwesung erst mal heftig übergeben musste. Auch Blue schluckte ob des Gestankes. Leider konnten sie nicht wählerisch sein.
Wenn sie in Zweierteams rausgingen und immer die überrumpelten Wachen in die Vorratskammer brachten, konnte es klappen. Jedenfalls, solange kein Nachschub aus anderen Teilen des Tempelbezirks kam, von denen seine Späher noch nichts gesehen hatten.
Während Nasri und Lavant als Erstes hinausgingen, tippte Dusty rasch eine Nachricht auf das Handy. Er war blass um die Nase, aber offenbar fest entschlossen.
„Nehmen wir den anderen Hacker mit?“
Blue war verdutzt. Daran hatte er nicht gedacht, immerhin verdankten sie dem Kerl eine Menge Ärger, auch wenn er das nicht aus eigenem Antrieb getan hatte. Ein Blick in Dustys Gesicht genügte, um sein Herz zu erweichen. Er verstand auch ohne weitere Botschaft, warum es dem Jungen so wichtig war. Schließlich hätte es auch Biff sein können, der in der Kammer saß.
„Schon gut, sobald du aufs Knöpfchen gedrückt hast, nehmen wir ihn als Anhalter mit.“
Ein zufriedenes Grinsen breitete sich auf dem Gesicht des Jungen aus, da erklangen von draußen Schreie.
„Scheiße! Ich hab doch gesagt, kein Lärm.“
Blue war mit den anderen schon halb aus der Tür, ehe er sich noch mal umdrehte und Dusty mit erhobenem Finger drohte: „Du bleibst hier und machst keinen Mucks, verstanden?“
Der Junge nickte heftig, obwohl er mit deutlichem Unbehagen den Blick schweifen ließ. Aber besser in Gesellschaft von Toten als selbst einer.
Blue und die anderen kamen zwei Säulen weit, bevor sie über Nasris Leiche stolperten. Ihr Unterleib war weggerissen, die hellen Augen blickten starr. Blue stieß einen Fluch aus. Ihre Schuld war damit mehr als vergolten. Von Lavant keine Spur. Hoffentlich war seinem Bruder nichts passiert.
Was hatte das nun wieder zu bedeuten? Ein Lycaner war das wohl kaum.
Die Antwort kam schneller als ihm lieb war. Wie aus dem Nichts sprang eine Bestie in den Hof. Struppiges Fell und vier Augen, die vor Hass glühten und sich
Weitere Kostenlose Bücher