Ruf des Blutes 6 - Wolfspakt (German Edition)
jeder Vorstellungskraft. Raphael und Tizian knieten in unserer Nähe nieder.
„Wir kennen diese Melodie. Das ist Loki. Er spielt“, sagte Raphael.
Tizian nickte. „Er ruft Fenris und die Midgardschlange. Er ruft sie nach Hause.“
Unerwartete Freunde herzlich willkommen
D as Lied erklang zwei Tage lang überall auf der Welt. Als hätte jemand einen riesigen Subwoover auf dem Mond aufgestellt, der den Planeten beschallte. Blue hatte Stellung vor der Festung in China bezogen und beobachtete nun, wie der Fenriswolf, der kurz zuvor verschwunden war, zurückkehrte und sich vor die Mauern der Festung legte. Die Midgardschlange wiegte sich einer Kobra gleich, die der Flöte ihres Schlangenbeschwörers folgte, von einer Seite zur anderen. Eine Menge Küstenorte wurden überschwemmt, weil ihr Körper die Meere in Wallung brachte, doch die Schlange fiel mehr und mehr in einen Dämmerschlaf, sank schließlich in die Fluten und entzog sich Blues Blicken. Er konnte nur hoffen, dass die Musik sie in einen ähnlich tiefen Schlaf schickte wie den letzten.
Nachdem man von der Midgard nichts mehr sah, wurde Blue Zeuge, wie sich Löcher im Boden rund um die chinesische Festung auftaten, aus denen kleine Leute krochen. Er hätte sie für Zwerge gehalten, nur ähnelten diese hier in Gestalt mehr einem Faun. Furchtlos näherten sie sich dem dösenden Fenris, kletterten auf seine Pfoten und an seinem Fell empor und werkelten wie Heinzelmännchen an dem riesigen Leib. Wenn der Mond zwischen den Wolken hindurchlugte, schimmerte es silbern rund um den Wolf. Wie ein Spinnennetz, das diese Zwerge über ihm woben, bis es seinen Körper vollständig bedeckte. Dazu brauchten sie fast eine ganze Nacht. In der Morgendämmerung öffnete sich ein breiter Spalt vor ihnen, und Blue glaubte, eine Art Treppe zu erkennen, die nach unten führte. Die sonderbare Gesellschaft legte sich die Endstrippen des Netzes über die Schultern, zog mit vereinten Kräften den Fenriswolf auf die Treppe zu und hinab. Kaum, dass die buschige Rute des Tieres verschwunden war, verschloss sich der Spalt unter einem sachten Beben.
Selbst für einen Dolmenwächter eine interessante Beobachtung, die er vermutlich in seinem Leben nie wieder zu Gesicht bekam.
„Wenn das so einfach geht, warum sind wir eigentlich nicht auf die Idee gekommen?“
Dann wurde es jetzt Zeit, den Superhacker in Gorlem Manor abzuholen. Der Rest dürfte ein Kinderspiel werden. Sein Plan war eigentlich, sich den Punk, den er zugegeben ins Herz geschlossen hatte, zu schnappen, ein paar seiner Leute zusammenzutrommeln und schnurstracks in die Festung hineinzuplatzen. Auf zwei oder drei Tore mehr kam es nicht an, das würde auch ein wenig Verwirrung stiften. Dolmenwächter waren geübte Kämpfer. Es sollte kein Problem sein, dem Jungen Deckung zu geben, bis er die Systeme abgeschaltet hatte.
Der Plan bekam schon auf Gorlem Manor den ersten Dämpfer. Dusty lag auf der Krankenstation. Als Blue hörte, was geschehen war, wurde ihm flau im Magen. Er stürmte in Franklins Büro, um sich nach Mel und Armand zu erkundigen.
„Verdammte Scheiße, wie konnte das passieren?“
Franklin erzählte Blue von den drei Lupins, die in Menschengestalt ihn, Ash und den jungen Dusty fortgelockt hatten.
„Einer Lupin in menschlicher Gestalt kann kaum ein Mann widerstehen. Das wusste Domeniko.“
„Diese …“, wollte Blue aufbegehren, doch Franklin fiel ihm ins Wort.
„Wir verdanken es einer Lupin, dass wir noch leben. Sie hat sich von Domeniko befreit und ist auf unsere Seite gewechselt. Laut dem, was sie uns erzählt hat, blieb den Lupins keine andere Wahl, doch freiwillig dienen sie Domeniko nicht.“
Franklin legte Blue beruhigend eine Hand auf die Schulter.
„Es ist noch mal gut gegangen. Dusty hat nur eine Kehlkopfquetschung und kann schlecht reden. In ein paar Tagen ist er wieder in Ordnung.“
„Wo ist Mel? Geht es ihr gut?“
Franklins Miene verdüsterte sich, Blue ahnte nichts Gutes. „Nun, bei dem Gefecht gab es … haben wir …“ Es sah dem Ashera-Vater nicht ähnlich, nach Worten zu suchen. Er schluckte hart, blinzelte und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. „Dracon wurde tödlich verwundet. Er starb, als er Mel vor Domeniko und dem Fenris-Wolf rettete.“
Blue pfiff durch die Zähne. Da hatte sich der Köter also herumgetrieben.
Er verstand, wie nah das Mel ging, immerhin war Dracon für sie gestorben. Gemeinsam mit Armand hatte sie entschie- den, Dracon in der
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