Ruf des Blutes 6 - Wolfspakt (German Edition)
Melissa war es nicht nur gelungen, Kaliste zu vernichten, sondern auch, Luciens Pläne zu durchschauen. Am Ende wandte sie sich von ihm ab, warnte ihn sogar, dass er die Finger von Franklin lassen solle, oder es bitter bereuen würde, ihn weiterhin mit seiner Macht gefügig zu halten. Wenn der Lord diesem Befehl nachgekommen wäre, nicht auszudenken, was das bedeutet hätte. Die Qualen des Entzugs und ein umso schnelleres Altern. Sollte er sich dennoch schämen, dass er erleichtert war, Lucien weiterhin zum Geliebten zu haben?
Vielleicht, denn immerhin hatte Kalistes Bruder Tizian ihm eine Alternative angeboten. Er konnte heute nicht mehr sagen, warum er darauf verzichtete. Vielleicht liebte ein Teil von ihm Lucien. So wie ein anderer ihn hasste. Aber bei einem Vampir lagen Liebe und Hass näher beieinander als bei den meisten anderen Wesen der Nacht.
Ein bitteres Lachen entfuhr Franklin und er schüttelte den Kopf über sich selbst. Viel zu oft ging er all das durch, kam aber zu keinem Ergebnis. Die Dinge waren so, wie sie waren. Daran änderte alle Grübelei nichts. Und wenn er ehrlich war, verspürte er keine Reue. Das Schicksal könnte grausamer zu ihm sein. Lucien war schön, großzügig, ein wundervoller Liebhaber und inzwischen ein unschätzbarer Freund und Verbündeter.
„… der sich sehr um dein Gemüt sorgt, wenn du dich derart in der Vergangenheit verlierst.“
Franklin hatte Lucien nicht kommen hören, doch sein Erscheinen erschreckte ihn nicht mehr. Als er den Blick hob, stand der Vampir mit verschränkten Armen im Türrahmen und sah ihn sorgenvoll an. Seit er vor zwei Jahren die Isle of Dark gänzlich seinem Personal überlassen hatte und nach London gezogen war, passte er sich mehr und mehr der modernen Welt an. Statt des exzentrischen Milliardärs, der unnahbar und zurückgezogen auf einer Insel lebte, schlüpfte er in die Rolle eines Kunsthändlers, unterhielt Kontakte zu Menschen, ohne seine Natur preiszugeben und besuchte Franklin mehrmals die Woche. Nicht selten verbrachten sie auch die Nacht miteinander.
Manchmal glaubte Franklin, dass Melissas Verlust Lucien mehr verändert hatte, als er zugeben mochte. Es hatte ihn tief verletzt, sie zu verlieren, und auch wenn er das nie aussprach, spürte Franklin doch, dass es dabei weniger um die Macht ging, die er nun nicht besaß, als vielmehr um jemanden, der ihm nahestand und den er liebte.
Die kalte Hülle von Überheblichkeit und seine Neigung, andere zu manipulieren, waren verschwunden. Vielleicht empfand Franklin es auch deshalb nicht mehr als schlimm, ihm hörig zu sein. Weil Lucien daraus nicht länger Nutzen zu ziehen versuchte.
Lucien zog Franklins Aufmerksamkeit auf sich und lenkte ihn endgültig von den Fragen in seinem Kopf ab, indem er zu ihm herüberschlenderte und betont langsam sein dunkelblaues Hemd aufknöpfte. Die glatte, goldbraune Haut schimmerte verführerisch. Oh ja, er war ein Gott, und sich dessen bewusst.
Die athletischen Muskeln spannten sich, als er den Stoff von seinen Schultern gleiten ließ. In der nachtblauen Iris seiner Augen sah Franklin ein Begehren, das ihm allein galt. Der schmale Bart, der Luciens Kinn und Oberlippe zierte, fühlte sich seidenweich auf seiner Haut an, als der Lord ihn küsste. Neckend schob er seine Zunge zwischen Franklins Lippen, weckte den Hunger in ihm.
Lucien war warm, also hatte er vor Kurzem gejagt. Der Gedanke ließ Franklin erschauern, schmälerte sein Verlangen aber keineswegs. Das Sehnen nach dem vertrauten Körper und der Leidenschaft zwischen Lust und Schmerz pulsierte in seinem Inneren. Er ließ seine Finger durch das dichte, schwarze Haar gleiten und zog Luciens Kopf zu sich heran. Der erste Tropfen roter Flut schmeckte süß, ließ ihn vibrieren. Es war fast zwei Wochen her, dass er zuletzt getrunken hatte. Auch das war anders. Früher hätte Lucien ihm gar nicht genug davon geben können, um ihn in eine unentrinnbare Abhängigkeit zu zwingen, heute dosierte er den kleinen Trunk mit Bedacht, damit er Franklins Kraft und Jugend erhielt, ihn aber nicht mehr band als unumgänglich.
„Lass uns ins Schlafzimmer gehen“, drängte Lucien sanft.
Auch Franklin verspürte kein Verlangen, von einem Ordensmitglied in flagranti erwischt zu werden. Außerdem bot ein Bett mehr Bequemlichkeit als sein überfüllter Schreibtisch. Obwohl die Vorstellung, ohne langes Vorspiel mit einem Hauch von Gewalt von Lucien einfach genommen zu werden, auch ihren Reiz besaß.
Der Lord lachte leise
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