Ruf des Blutes 6 - Wolfspakt (German Edition)
keine Lücke entstand, die ein Risiko bedeuten konnte.
Wenn sie denen einen Denkzettel verpassen wollten, mussten sie beide Server gleichzeitig manipulieren. Nicht einfach bei einem Dutzend Firewalls und Trojanerfängern. Sie hatten sich herangepirscht wie die Katze an die Maus, immer wieder verharrt, mit angehaltenem Atem gewartet, ob sie entdeckt worden waren, Tage verstreichen lassen, bis sicher war, dass ihr Programm als zulässiger Bestandteil des Betriebssystems akzeptiert wurde. Erst dann trauten sie sich den nächsten Schritt Richtung Zentralsteuerung.
„Was schätzt du, wie weit es noch ist?“, wollte Biff wissen.
Dusty war klar, dass er ihn damit testete. Das machte ihn nervös und er durfte keinen Fehler machen. „Vielleicht noch drei oder vier Schritte. Ich bin nicht sicher.“
Biff kicherte und schlug sich auf die Schenkel. „Wart’s ab, Junge. Wart’s nur ab.“
Dustys Hand schwebte über dem Enter-Knopf. Zog Biff ihn auf, oder sollten sie wirklich schon so dicht dran sein? Gleich würden sie es wissen. Seine Finger waren wie Eis und sein Magen rebellierte vor Aufregung. Gerade wollte er die Taste drücken, da zuckte ein greller Lichtstrahl durch ihre Wohnung.
Sein erster Gedanke war: Blitzeinschlag! Aber draußen tobte kein Gewitter. Ein Überspannungsschaden? Erst im dritten Step registrierte er, dass alle Rechner noch summten und die Bildschirme leuchteten. In den Millisekunden, die er für diese Erkenntnis brauchte, entrückte er dieser Welt und wunderte sich deshalb, woher die vielen Leute kamen. Biff reagierte schneller. Er schrie auf, griff nach dem Baseballschläger, den er immer in Reichweite hatte und verpasste dem Kerl, der ihm am nächsten stand einen Schlag auf den Schädel. Dusty hörte es knacken, als der Schädel barst. Blut spritzte über die Pizzakartons und in sein Gesicht. Davon musste er sich übergeben, doch Biff ließ ihm keine Zeit.
„Lauf!“, schrie er Dusty an, gab ihm einen Schubs Richtung Tür und stürzte sich brüllend auf die Besucher. Mit dem Fuß trat er dabei gegen den Rechner, der das Programm für den Biowaffen-Konzern steuerte, um die Spuren zu verwischen. Dusty dachte noch, dass Biff eine verdammt gute Reaktion hatte, gemessen an den Drogen und dem Alkohol, womit er sich den ganzen Abend zugedröhnt hatte. Außerdem fragte er sich, ob von den Pillen vielleicht eine auch in seinen Becher gefallen war, denn das Letzte, was er sah, bevor er aus der Tür stürzte, war ein Mann mit einem Wolfsgesicht.
Franklin warf einen Blick auf die Uhr, fast halb drei. Für heute sollte es genug sein. In Gorlem Manor war es still geworden, ohne dass es ihm aufgefallen wäre. Die meisten Bewohner schliefen inzwischen, das sollte er jetzt auch tun.
Er nahm die Brille ab und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel. Seine Augen brannten und seine Muskeln schmerzen, weil er seit Stunden vor dem Rechner saß, Berichte verfasste, E-Mails beantwortete und Daten einpflegte. Er streckte sich ausgiebig und gähnte. Als er die Arme wieder auf den Schreibtisch sinken ließ, betrachtete er nachdenklich seine Hände. Es waren noch immer die Hände eines jungen Mannes, und wenn er sich im Spiegel betrachtete, zeigte sein Gesicht nur wenige Zeichen des Alterns, obwohl er inzwischen über sechzig war. Darüber sollte er sich freuen, aber der Preis, den er dafür zahlte, war hoch. In den letzten sieben Jahren höher als er es je gewollt hatte.
Mit Wehmut dachte er an Armand zurück. Die Erinnerung brachte automatisch auch Mel in sein Herz zurück. Er vermisste seine Tochter und ihren Gefährten – seinen langjährigen Liebhaber – unendlich. So oft fragte er sich, ob es anders hätte kommen können. Ob er irgendetwas hätte tun können. Doch er fand keine Antwort.
Die Liebe zu dem Vampir hatte ihn in eine Abhängigkeit vom dunklen Blut geführt, der er nicht mehr entkommen konnte. Dass der Lord Lucien von Memphis sich diese zunutze machte, konnte er ihm kaum vorwerfen. Im Gegenteil – er musste ihm sogar dankbar sein, dass er sich nicht ebenso von ihm abgewandt hatte, wie Mel und Armand, nachdem der Zweck, den er einst verfolgt hatte, hinfällig geworden war.
Er hatte Franklin verführt, um ihn als Pfand gegen seine Tochter einzusetzen. Damit Melissa ihre Bestimmung erfüllte, die Vampirkönigin Kaliste zu stürzen, die damit einhergehende Macht aber danach mit Lucien teilte, der sie in ihren ersten Jahren als neugeborener Vampir geleitet und gelehrt hatte.
Doch
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