Ruf des Blutes 6 - Wolfspakt (German Edition)
es pochte wie ein zweiter Herzschlag. „Und Gier.“
„Ich höre den Leib über Gestein schaben. Er knistert in den Flammen, als läge er sehr tief in der Erde, wo die Glut aus uralter Zeit noch lodert. Es riecht nach Blut, wo er die Verwachsungen losreißt, die ihn binden. Etwas befreit sich. Und sein Magen knurrt vor Hunger.“
Tizian drehte sich zu Raphael um. Das markante Gesicht seines Liebsten umrahmt von silbernem Haar strahlte Weisheit aus und wirkte ruhig, obwohl er sicher ebenso wusste, was das bedeutete.
„Wir müssen es ihnen sagen“, stellte Rafe fest.
„Wir müssen herausfinden, wer sie befreit hat. Und ob derselbe ihn auch noch von seinen Ketten lässt.“
Raphael nickte. Er zog Tizian in die Arme und hielt ihn fest. Für eine gefühlte Ewigkeit ließ Tizian sich fallen, genoss die Sicherheit, die er immer bei seinem Gefährten fand. Wenn ihre Vermutung richtig war, gab es bald nirgendwo mehr Sicherheit, umso kostbarer war der Moment.
Sie würde sich nicht von selbst befreien. Zu tief war der Schlaf, in den man sie geschickt hatte. Wer hatte sie geweckt? War derjenige sich bewusst, welche Kraft er entfesselte? Dass er sie womöglich selbst nicht mehr beherrschen konnte, wenn sie sich erst an die Oberfläche gekämpft hatte? Das musste man verhindern. Allein würden sie es nicht schaffen. Aber es gab jemanden, der ihnen helfen konnte. Der etwas besaß, was sie brauchten, um den einen aufzusuchen, der sie zurück in den Schlaf schicken konnte. Melissa Ravenwood musste zurückkehren.
„Ich bin sicher, sie weiß bereits, dass etwas geschieht. Wie viel sie weiß, werden wir bald erfahren.“
„Nicht einmal ich weiß, wohin sie sich zurückgezogen hat. Sie ist noch stärker vor mir verborgen als einst meine Schwester Kaliste.“
Raphael lächelte und strich Tizian durch das nachtschwarze Haar. „Sei unbesorgt. Wir werden sie dort finden, wo stets alle Fäden zusammenlaufen, wenn die Welt in Gefahr schwebt. In Gorlem Manor.“
Geweiht auf Tod und Leben
I ch hatte Corelus seit seinem unkonventionellen Besuch nicht mehr gesehen. Erst heute – am Tag des Zeremoniells, mit dem er seine Fürstenwürde an Eloin übertrug – begegneten wir uns wieder. Das große Haus sah noch genauso aus wie bei meinem ersten Besuch mit Franklin vor vielen Jahren. Rückblickend fühlte es sich an, als wäre das in einem anderen Leben gewesen.
Armand und ich hatten uns dem Anlass entsprechend gekleidet, gleichzeitig aber darauf geachtet, dass wir genug Bewegungsfreiheit behielten, falls es zu einem Attentat kommen sollte. Ein Hoch auf edle Stoffe mit Stretchanteil.
Meine hochgesteckten Haare bargen ein tödliches Geheimnis. Sollte ich es lüften müssen, wären es nicht nur die seidigen Strähnen, die blutrot hinabfielen.
Corelus zu begegnen, erschreckte mich. Im Zeittor hatte ich ihm seine Krankheit bereits angesehen, doch der Lycanthrop, der uns zur Fürstenweihe willkommen hieß, war gezeichnet, sein Körper eingefallen und gebeugt. Er zitterte, sein Blick wanderte unruhig umher. Ich hörte sein Herz schlagen und erkannte Sorge darin. Corelus rechnete fest mit Domenikos Auftauchen und fürchtete es.
„Danke, dass ihr gekommen seid.“ Er legte Armand und mir die Hand auf die Schultern. Seine Augen blickten trüb, er stand wohl unter Schmerzmitteln. Wie nah war sein Ende wirklich?
„Sehr nah.“ Armand sprach nur auf der Gedankenebene. Sein Gesicht wirkte besorgt. Er spürte es noch deutlicher als ich. Das war seine Stärke.
Die Logik ließ sich nicht von der Hand weisen. Jemand wie Corelus wartete bis zum letzten Augenblick, ehe er sein Amt niederlegte und die Bürde jemand anderem übertrug. Nicht aus Machtgier, sondern weil er wusste, welche Last es bedeutete. Ich konnte ihn verstehen, denn mir erging es seit sieben Jahren genauso. Nur mit dem Unterschied, dass ich niemanden hatte, dem ich diese Last irgendwann weitergeben konnte.
Eloin umarmte mich voller Herzlichkeit. Wir hatten uns seit einer Ewigkeit nicht gesehen. Natürlich wusste er, was mit mir geschehen war, aber im Gegensatz zu meinem Vater empfand er keine Angst. Er wusste, ich war hier, um ihn zu beschützen, aber vor allem freute er sich, eine Freundin wiederzusehen und im vielleicht wichtigsten Moment seines Lebens an der Seite zu haben.
„Ich bin aufgeregt“, gestand er.
Ich rang mir ein Lächeln ab, obwohl die Sorge überwog. „Das kann ich verstehen. Aber du wirst alles richtig machen und ein würdiger Nachfolger für
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