Ruf des Blutes 6 - Wolfspakt (German Edition)
Corelus werden.“
Man sah ihm an, dass er Zweifel hatte. Um ihm Mut zu machen, drückte ich seine Hand. Ein weiterer Lycanthrop kam zu uns. Seine hellgrünen Augen wiesen ihn als Träger des Adelsblutes aus. Daher ging ich davon aus, dass dies Anelu war, noch bevor Eloin uns einander vorstellte.
Der junge Lycanthrop neigte respektvoll den Kopf. „Ich hoffe, dass eure Gegenwart lediglich eine weitere Ehrenbezeugung für Eloins Fürstenzeremoniell sein wird und keine Notwendigkeit auftritt, ihn zu beschützen.“
Es imponierte mir, dass Anelu so wenig Probleme damit hatte, dass Eloin ihm vorgezogen worden war. Er war sein Leben lang darauf vorbereitet worden, nur um dieses Wissen einem anderen zur Verfügung zu stellen, und er haderte keine Sekunde. Vielleicht, weil er wusste, welche Last es bedeutete, der Fürst der Lycaner zu sein.
Als Corelus erklärte, dass wir nun nach unten gehen sollten, sah ich in Anelus’ Augen die Liebe eines Sohnes zu seinem Vater. Er stützte den Lycaner-Fürsten, damit er nicht auf den Stufen ausglitt. Eloin schritt einen Meter hinter den beiden, Armand und ich bildeten mit Corelus’ Butler das Schlusslicht.
Draußen auf dem Hof überprüften wir mit allen Sinnen die Umgebung. Aber was sollten wir erfassen? Bei der Menge an Lycanern war es unmöglich, Domeniko herauszufiltern, selbst wenn er in der Nähe war. Dass sich unter die Anspannung und Aufregung wegen des Zeremoniells auch einige negative Schwingungen von Neid und Missgunst mischten, war wohl unvermeidlich. Offener Hass war bislang nicht darunter.
Der Butler eilte ein Stück voraus und wartete an der Tür zum Zeremonienraum auf seinen Herrn. Die Angehörigen der Adelsfamilien hatten sich vor gut einer halben Stunde bereits dort eingefunden. Ich vernahm ein Gewirr von Stimmen und Gemurmel, das augenblicklich verstummte, als der Butler die Tür für Corelus und seine beiden Begleiter öffnete.
Die Spannung im Raum war greifbar, ließ die Luft vibrieren. Das steigerte sich noch, als die versammelte Gesellschaft Armand und mich erblickte. Eine Woge Misstrauen schlug uns aus den Reihen der Lycaner entgegen, während wir hinter Corelus, Anelu und Eloin den Zeremoniensaal betraten. Sie wussten, wer wir waren, was wir waren. Und was wir getan hatten. Wie hatte Corelus gesagt: Eine Vampirkönigin kann einen Lycanerfürsten töten. Ich musste daher für jeden wie eine Bedrohung wirken.
Armand ließ sich nicht anmerken, ob es ihm etwas ausmachte, offenkundig unerwünscht zu sein. Mir fiel das nicht so leicht. Ich fühlte mich angegriffen durch ihre Blicke, ihr verhaltenes Knurren, und bleckte selbst meine Fänge, ließ den Blick warnend über die Menge wandern. Wie viele der Anwesenden würden sich auf Domenikos Seite schlagen, wenn er auftauchte? Unmöglich, das zu erahnen. Diese Ungewissheit machte mich nervös. Eloin bemerkte es. Er drehte sich zu mir um und hob sorgenvoll die Brauen. Ich versuchte, ihn mit einem Lächeln zu beruhigen und nickte ermutigend.
Wie zwei Leibwächter bezogen Armand und ich links und rechts des Ganges neben den vordersten Sitzbänken Stellung. Anelu brachte Corelus zum Thron, wo er sich schwerfällig setzte und die Insignien seines Fürstenstandes entgegennahm, die er am Ende der Zeremonie an Eloin weitergeben würde.
Eloin war sichtlich angespannt, blickte immer wieder zu Anelu, der ihn mit kaum sichtbaren Gesten durch den Ablauf führte. Die beiden hatten das in den letzten Tagen hundert Mal geprobt und kleine Signale vereinbart, wenn Eloin unsicher werden sollte. Da Anelu während der ganzen Zeit neben Corelus Thron stehen bleiben würde, hatte Eloin ihn immer im Blick.
Ich verfolgte die Zeremonie mit ihren vorgeschriebenen Handlungen, Ansprachen und Schwüren nur mit halbem Ohr, behielt stattdessen lieber die Gäste im Auge. Meine Anwesenheit machte sie nervös, was mir sehr zupasskam, da es ihnen so schwerer fiel, ihre Gedanken zu verbergen. Es gab viele Neider oder solche, die Eloin diesen Rang schlichtweg nicht gönnten. Ihn für ungeeignet hielten. Allerdings waren die wenigsten der Meinung, dass Domeniko die bessere Wahl gewesen wäre. Anelu und die Lycanthropin Xerxia wären beide gern gesehen gewesen. Vor allem mit Anelu hatten viele gerechnet und verstanden nicht, dass er es hinnahm, übergangen zu werden und Eloin bereits jetzt treu ergeben war. Manch einer hielt das auch für Berechnung und einen Trick. Das beunruhigte mich nicht, denn ich hatte Anelus’ Gedanken gleich zu Anfang
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