Ruf des Blutes 6 - Wolfspakt (German Edition)
gründlich durchsucht. Seine Loyalität war echt.
Armand nickte mir kaum merklich zu. Ich verstand und signalisierte ihm, dass ich es ebenfalls für eine gute Idee hielt. Langsam, um die Weihe nicht zu stören, ging er zur Tür zurück und die Treppe zur Empore hoch, damit er die Halle von oben im Blick hatte. Bei einem Angriff besaß er damit einen klaren Vorteil – vor allem, weil er nicht gesehen wurde. Wir waren uns einig, dass hier niemand war, der in Domenikos Auftrag ein Attentat verüben wollte. Wenn etwas Derartiges geplant war, mussten er und seine Schergen erst noch hereinkommen, und durch unsere unterschiedliche Postierung waren Armand und ich bestens vorbereitet.
Je weiter die Zeremonie voranschritt, desto mehr erschien mir der Raum wie ein Pulverfass, das kurz davorstand, hochzugehen. Die Luft vibrierte, die feinen Härchen in meinem Nacken stellten sich auf unter der Anspannung, die mich befallen hatte und beständig wuchs. Es würde etwas passieren, ich spürte es, war mir bewusst, dass ich es nicht vollends aufhalten konnte. Ich harrte dessen, sehnte es herbei, damit die Erwartung, die meine Nerven malträtierte, ein Ende erfuhr. Wenn Domeniko angriff, konnte ich wenigstens reagieren, so wusste ich nicht, wann oder wo er zuschlagen wollte. Ein Geduldsspiel.
„Und Geduld war ja noch nie deine Stärke“, bemerkt Osira zynisch.
Sie materialisierte sich nur für mich, obwohl meine Totemwölfin hier kaum aufgefallen wäre. Ich warf ihr einen warnenden Blick zu, Ablenkung konnte ich gar nicht gebrauchen. Mit einem Schnauben ließ sie sich neben mir auf den Hinterpfoten nieder. Ein Blick zu Armand zeigte mir die grünen Augen seines Panters Welodan, der neben ihm auf der Empore lag, den Schwanz über die Brüstung hängen ließ und fast gelangweilt mit offenem Maul atmete. Ganz so, wie ich es von Luciens Raubkatzen gewohnt war. Man musste diese Tiere schon sehr gut kennen, um zu sehen, dass er dennoch wachsam, sein Körper angespannt war. Wenn sogar unsere Krafttiere fühlten, dass Kampf bevorstand, konnte er nicht weit entfernt sein.
Während mir dieser Gedanke durch den Kopf ging, überreichte Corelus Eloin den Fürstenstab und das Lycandinum. Nun brauchte der junge Lycanthrop nur noch seinen Namen ins Buch der Lycaner eintragen und Corelus’ sein Einverständnis mit dem Siegelring bekennen, dann war Eloin der Fürst und Corelus für die Zeit, die ihm noch auf dieser Erde blieb, sein Berater. Ein weiteres Symbol gemäß Eloins Wunsch würde dem Siegelring zugefügt, der mit dem Übergang der Fürstenwürde ebenfalls an ihn fiel.
Alle im Raum hielten den Atem an. Ein denkwürdiger Augenblick, der über die Zukunft ihres Volkes entschied. Wenn Eloins Name im Lycandinum stand, konnte man ihm die Fürstenwürde nur noch in einem offenen Krieg streitig machen.
Osira hob den Kopf, sah mich an und winselte. Ich biss mir auf die Lippen. Nein, ich glaubte auch nicht, dass Domeniko Skrupel hätte.
Eloin ergriff den Federhalter, den Anelu ihm reichte, Corelus erhob sich und ballte die Faust mit dem Siegelring. Anelu hielt das Wachs bereit.
Wie von fern hörte ich Donner, hielt ihn im ersten Moment für einen trommelnden Herzschlag und fragte mich, wessen es sein mochte. Erst mit dem Bersten der Tür wurde mir klar, dass dieses Geräusch von draußen gekommen war – die Schritte eines Lycanertrupps, an dessen Spitze Domeniko in den Zeremoniensaal sprang. In seinen blauen Iris glühte ein wildes Feuer, die Gier nach absoluter Macht. Als er sah, wie weit die Weihe fortgeschritten war, fletschte er die Zähne und knurrte einen Fluch. Ich sah ihn auf den Fürstenthron zustürmen und von da an lief alles automatisch ab.
Ohne zu zögern oder auch nur zu überlegen, warf ich mich dazwischen, schützte Eloin mit meinem Körper. Dabei ging mir der unsinnige Gedanke durch den Kopf, ob diese Zeremonie wirklich das Zünglein an der Waage wäre, das entschied, ob mich mein wölfischer Feind töten konnte oder nicht. Vermutlich nur eine Metapher. Zum Fürsten ernannt oder nicht, Domeniko konnte mich töten. Ich ihn jedoch ebenso. Darum ging es mir aber nicht. Ich wollte nur die drei Männer in der Mitte schützen, von denen so viel abhing. Die Zukunft der Lycaner – und der gesamten Welt.
Der Luftzug, der mich streifte, war unverkennbar Armand und gleich darauf sah ich ihn aus den Augenwinkeln am Boden liegen. Unter ihm einen Lycanthrop, dem das Blut aus der aufgerissenen Halsschlagader sprudelte. Armands Augen
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