Ruf des Blutes 6 - Wolfspakt (German Edition)
holte tief Luft. Die Vermutung auszusprechen, verlieh ihr eine Macht, die ihn lähmte. „Denkst du, da besteht ein Zusammenhang? Könnte dieser andere Fürstenanwärter dahinterstecken?“
Franklin blinzelte, schluckte, drehte sich halb um, als wollte er gehen und verharrte. „Wo sind diese Tore?“
„Die neuen?“
Mels Vater nickte. Ash biss sich auf die Lippen. Er hatte das Gefühl, besser zu schweigen, weil er mit seinen Worten eine Lawine lostreten würde, die sie alle überrollte. Aber eigentlich war sie bereits in Bewegung, und sein Schweigen konnte sie nicht mehr stoppen. Er erzählte Franklin, was er mit Blues Karte herausgefunden hatte. Mit jedem Wort wurde Franklin fahler im Gesicht. Schließlich sank er in einen Sessel fasste sich ans Herz.
„Wenn das alles wahr ist … Ashera stehe uns bei!“
Im Bann des großen Wolfes
A liya hatte die meiste Zeit mit Schlafen verbracht, denn alles, was sie sah und hörte, ängstigte sie. Es war leichter, sich in Träume zu flüchten, auch wenn diese kaum weniger Schrecken bereithielten als die Wirklichkeit.
Diesmal weckten sie Schaukeln und Rumpeln, als ihr Käfig aus dem Lastwagen, der sie vom Flughafen abgeholt hatte, herausgehoben wurde. Man stellte sie und Surevi auf einen Wagen mit Rollen und fuhr sie in ein Gebäude, dessen Mauern hoch in den Himmel aufragten. Sonst war weit und breit nichts zu sehen. Eine Stadt mit Menschen schien nicht in der Nähe. Von den beiden Gestaltwandlern – einer davon ihr Häscher – und den Menschen, die ihnen folgten, als wären sie Götter, abgesehen, war der Geruch fremd. Ein fernes Land, wie Aliya klar wurde. Sie witterte ihre Umgebung, versuchte einzuordnen, woher die Düfte rührten. Es überwog das schwere Aroma von Erde, Gras und Bäumen, feuchtem Gestein – und über allem die unverkennbare Note von Lycanern. Wo zur Hölle waren sie?
Ein Aufzug brachte sie in einen Keller, an dem Nässe auf den Wänden schimmerte. Kälte drang durch die Ritzen, einige Fackeln erhellten den Raum und gaben den Blick auf Gitterstäbe frei, mit denen kleine Kammern verschlossen waren. In den ersten drei Kammern lag je eine Lupin, Aliya roch Blut. Waren sie tot? Nein, sie atmeten noch, rührten sich aber nicht. Zwei Zellen waren leer. Surevi wurde in die eine gebracht, Aliya in die andere. Die Männer gingen mit den Kisten fort, keiner sagte ein Wort. Ein Riegel schob sich vor, dann herrschte Stille.
Die Anspannung sträubte Aliya das Fell. Sie fror weniger vor Kälte, obwohl das Klima in Miami deutlich freundlicher war. Ihre Gänsehaut rührte aus Ungewissheit und dem Schrecken beim Anblick ihrer Schwestern, die gebrochen am Boden lagen. Sie winselte, hoffte, dass eine von ihnen Antwort geben würde, aber alles, was sie hörte, war ihr Atmen, aus dem Schmerz und Erschöpfung sprachen.
„Surevi?“
Sekunden harrte sie, zweifelt schon, ob die andere Lupin sie gehört hatte oder bereits wieder schlief.
„Ja, Aliya?“
Vor Erleichterung hätte sie aufjaulen mögen. „Kannst du versuchen, mit der Lupin neben dir zu reden? Vielleicht erfahren wir, weshalb wir hier sind?“
„Ich versuche es, aber sie scheinen bewusstlos zu sein.“
Aliya hörte, wie Surevi erst flüsternd, dann in normaler Lautstärke mit der Schwarzwölfin aus der Nachbarzelle redete. Ob diese antwortete, konnte sie nicht sagen. Nach einer Weile kam Surevi auf ihre Seite zurück.
„Sie antworten nicht. Vielleicht liegen sie bereits im Sterben. Hier ist viel Blut.“
Der Geruch nach Kupfer und Eisen erstickte einen bei jedem Atemzug. Trotzdem weigerte sich Aliya, die Hoffnung aufzugeben. Was hatte jemand davon, wenn er die fünf Leitwölfinnen tötete? Andere Lupins waren nicht hier. Sie verstand das nicht. Wenn man sie aus dem Weg räumte, würden die Rudel Nachfolgerinnen erwählen oder sich einem anderen Rudel aus ihrem Clan anschließen. Fünf große Familien gab es, die sich Clans nannten und in viele kleinere Rudel aufteilten. Jeder dieser kleinen Gruppen stand eine Lupin aus der Clanfamilie vor. Ein Rudel war größer als die anderen und wurde von der Leitwölfin des Clans geführt, zu der in Notzeiten auch die anderen Rudel kamen. Ansonsten lebte jede Gruppe für sich, um die Bestandsdichte zu regulieren. Zu viele Wölfinnen in einem Bezirk fielen auf – und es gab nicht genug unbehandelte Leichen, die sie verzehren konnten. Aber der Zusammenhalt der Clanfamilie war groß.
So gesehen traf es wirklich einen wunden Punkt, wenn die Leitwölfin
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