Ruf des Blutes 6 - Wolfspakt (German Edition)
verschlungen hatte, bekam ich eine unbestimmte Ahnung, dass der Wolf wohl ebenfalls ein größeres Exemplar war als die Tiere, die durch unsere Wälder streiften.
Hoffnungsvoll drehte ich den Kopf zur Tür, als ich den vertrauten Klang von Blues Schritten hörte. Im Moment hielt ich viel von ihm und seiner Hilfe. Da, wo unsere Möglichkeiten beschränkt waren, kam er spielend weiter. Und er stand auf unserer Seite. Daran zweifelte ich nicht.
Blue war in Begleitung von ein paar anderen Dolmenwächtern, die in ihren traditionellen Gewändern wie Geister wirkten. Unwirklich und mit der Umgebung verschmelzend. Er hob sich drastisch von ihnen ab. Wer ihn nicht kannte, hätte ihn nie mit ihnen in Verbindung gebracht. Zerschlissene Jeans, rotkariertes Holzfällerhemd und eine schwarze Fliegerjacke. Dazu derbe Stiefel. Seine schulterlangen dunklen Haare wirkten zerzaust und er war unrasiert.
Ein verwegener Haudegen
, dachte ich schmunzelnd. Ganz anders der schüchterne junge Mann in ihrer Gesellschaft mit bunten Haaren, die wild in alle Richtungen abstanden. Er heftete den Blick starr auf den Boden. Sein häufiges Schulterzucken zeigte, wie unwohl er sich fühlte. Er war schmächtig, sehr blass und roch streng. Wo hatte Blue den aufgegabelt? Und was konnte er mit der Sache zu tun haben?
„Das ist Dusty“, erklärte Blue. „Was er zu sagen hat, wird dich interessieren.“
Damit schob er ihn in meine Richtung und klopfte Dusty aufmunternd auf die Schulter, der gleich noch ein paar Zentimeter in sich zusammenschrumpfte. Kein Wunder bei der versammelten Gesellschaft. Die paranormale Essenz im Raum war so stark, dass selbst ein Atheist sie nicht hätte leugnen können. Was aber noch viel auffälliger war als Dustys Unbehagen, war Blues Anspannung. Ich runzelte die Stirn, blickte fragend zu Armand, der kaum merklich die Achseln zuckte. Entweder Dustys Informationen hatten es in sich oder Blue wartete noch mit weiteren unguten Neuigkeiten auf. Ich lächelte freundlich und hielt dem jungen Punk meine Hand hin.
„Hi, Dusty. Ich bin Mel. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, hier bist du unter Freunden.“ Osira hustete unterdrückt. Wörtlich wollte sie das nicht nehmen. Gut, dass der Junge sie nicht hören oder sehen konnte. Das wäre wohl zu viel für seine Nerven gewesen. Dusty nagte an seiner Unterlippe, knetete den Bund seiner schmutzigen Jacke, die in den letzten Tagen wohl oft durchnässt gewesen war. Gleiches galt für den Rest seiner Kleidung. Himmel, wo hatte er denn gehaust? Blue hätte ihm wenigstens saubere Klamotten geben können. Allerdings war es, wenn man sich die beiden ansah, mehr als fraglich, ob seine Sachen dem Jungen passen würden. „Möchtest du etwas essen? Etwas Warmes trinken?“
„Wofür hältst du mich? Er hat von meinem Tellerchen gegessen, aus meinem Becherchen getrunken und in meinem Bettchen geschlafen. Na ja, ich geb zu, Letzteres war die Couch. Aber die ist auch bequem.“
So viel Fürsorge hätte ich bei Blue nicht erwartet.
„Ich würde trotzdem gern Kaffee haben“, wagte Dusty zum ersten Mal etwas zu sagen.
Franklin ergriff den Hörer und bat Vicky, unsere Köchin, um ein kleines Gedeck. Kurz darauf kam die dralle Irin mit den roten Krauselocken herein und trug ein Tablett mit Kaffee und Ingwerkeksen vor sich her. Dusty hatte in dem Moment ihr Herz erobert, als er sich wie ein Kind am Weihnachtstag mit seligem Grinsen im Gesicht über die Plätzchen hermachte. Wir schmunzelten alle. Immerhin festigte es sein Vertrauen, dass ihm hier keiner an den Kragen wollte.
„Biff und ich haben nur Spaß gemacht“, erklärte er und schob kauend die Unterlippe vor.
„Biff?“, hakte ich nach.
„Ist der coolste Typ überhaupt. Keiner ist besser als er.“
Das war schön für Biff, mir ging nur nicht auf, wovon er überhaupt sprach. Blue machte es mir einfacher.
„Wir haben rausgefunden, was die alle gemein hatten. Die Kerle, die aus ihren Wohnungen verschwunden sind. Überall heruntergekommenes Mobiliar, aber top Computeranlagen. Hacker. Und zwar welche, die wussten, was sie taten.“
Mein Herz setzte einen Schlag aus. Hacker? Und das nach dem, was Ben, Slade und Pettra uns erzählt hatten? Letztere ließ sich gerade auf einem Sessel nieder. Ihre Lippen zitterten und ihre Augen waren groß wie Teetassen.
„Was habt ihr gemacht?“, stellte sie Dusty die Frage, die auch mir auf der Zunge lag.
„Wir … wir wollten nix Böses. Ehrlich nicht. Biff sagt, man soll immer wissen, wo
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